Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis ich bei dir bin

Bis ich bei dir bin

Titel: Bis ich bei dir bin
Autoren: Emily Hainsworth
Vom Netzwerk:
Lichtstreifen, bücke mich mit angehaltenem Atem und zwänge mich mühsam hinüber zur anderen Seite. Ausnahmsweise ist es mal von Vorteil, dass ich nicht mehr so kräftig bin wie vor zwei Jahren. Ich lasse die Energie sich verflüchtigen, was nun auch irgendwie schneller geht, und sehe mich um.
    Meine Zähne klappern. Es kommt mir hier noch kälter vor. Vivs Ecke ist unheimlich, finster und einsam, so wie meine – unsere – zu Hause immer auf mich wirkte. Unsere. Bald brauchen wir unsere Welten nicht mehr in meine und ihre zu unterscheiden, denn wir werden am selben Ort vereint sein.
    Wo soll ich sie bloß verstecken?
    Ein Automotor heult ein oder zwei Straßen weiter auf und reißt mich aus meinen Gedanken. Angespannt warte ich, doch das Geräusch kommt nicht näher. Ein Schauer überläuft mich. Ein blaues Auto. Die drei Worte spuken mir ständig im Kopf herum, seit Nina behauptet hat, Zeugin des Unfalls gewesen zu sein. Ich frage mich, was ich wirklich mitten in der Nacht allein an dieser Ecke gemacht habe. Viv bestätigt, dass ich – er – sie für Nina verlassen hatte, und Nina sagt, dass wir uns hier an dieser Straßenecke treffen wollten …
    Nie und nimmer hat Viv am Steuer dieses Wagens gesessen. Wahrscheinlich war es ein Betrunkener. Alkoholisierte Autofahrer verursachen ständig tödliche Unfälle.
    Ein Windstoß fährt durch meine Jacke, und ich reibe mir wärmend die Oberarme.
    » Der flüchtige Fahrer, der dich getötet hat – er oder sie fuhr ein blaues Auto …«
    Ich muss mit Viv reden. Sofort.
    Als ich vor dem gelben Lichtschimmer in Vivs Fenster stehe, kann ich kaum meine Finger krümmen, um an die Scheibe zu klopfen. Ich huste, um meine Lunge vom Würgegriff des Winters zu befreien. Die Jalousie wird hochgezogen, das Fenster geht auf, und Viv streckt ihren Kopf heraus.
    »Bah, ist das kalt geworden!« Sie reibt sich die Arme.
    Bei ihrem Anblick vergesse ich alles. Trotz der Kälte hat sie nur eine rote Jungsshorts und ein dazu passendes winziges Hemdchen an, das wenig der Fantasie überlässt. Ich puste auf meine Hände, obwohl sie mein Blut schon recht gut in Wallung bringt.
    »Hi«, sage ich dreist zu ihrem Dekolleté.
    Sie lacht. »Geh vorn herum, ich mache dir auf.«
    Als sie sich vom Fenster entfernt und ihre Erscheinung mich nicht mehr im Bann hält, meldet sich mein Verstand wieder mit Bedenken wegen des schrumpfenden grünen Lichts. Hastig stolpere ich um die Hausseite herum; sie hält die Tür weit auf und winkt mich hinein. Dann nimmt sie meine eiskalte Hand und führt mich ins Wohnzimmer vor das prasselnde Kaminfeuer.
    Ich sehe sie träumerisch an, als sie sanft meine Finger reibt und daraufbläst.
    Wie kann Nina nur denken, dass sie zu einem Mord fähig wäre?
    »Ist es besser jetzt?«, fragt Viv und zieht mir die Jacke aus. »Hey, wo sind denn deine Sachen?«
    Ich drücke mich vor einer Antwort, indem ich mich mit viel Getue vorm Feuer aufwärme.
    »Keine Zahnbürste, kein Pyjama?« Sie hebt die Augenbrauen. »Willst du nackig schlafen?«
    »Ich dachte, wir brauchen nicht so viel … Beiwerk«, sage ich. Wenn ich es geschickt angehe, flippt sie möglicherweise nicht aus. Ich setze mich aufs Sofa und ziehe sie auf meinen Schoß. Sie duftet unglaublich gut. Ihre langen, glatten Beine erstrecken sich endlos vor mir.
    Ich reiße meinen Blick davon los und blinzele ein paar Mal. Gott, ich muss bei der Sache bleiben.
    »Wollte nicht der Anwalt von deinen Eltern vorbeischauen oder so was?«
    »Alles unter Kontrolle.« Sie fährt mit den Fingern unter mein T-Shirt und setzt meine Haut in Brand. Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. »Oh, ich habe übrigens ein Sixpack für dich gemopst, vom Vorrat meines Dads in der Garage.«
    Sie springt auf und eilt aus dem Wohnzimmer, bevor ich sie aufhalten kann. Ich reibe mir übers Gesicht und denke, dass ich das Thema gleich beim Hereinkommen hätte anschneiden sollen. Bald darauf ist sie zurück und macht zwei Dosen auf.
    »Wir könnten auch zu mir rübergehen, was meinst du?«
    Ich blicke kurz in den Flur, der zu ihrem Zimmer führt, und denke an ihre hellrosa Bettdecke und die Fotos an den Wänden, die keinen Bildern in meiner Erinnerung entsprechen. Ihre Fotos hier in dieser Welt zeigen lauter unbekannte Gesichter, Leute, die ich kaum kenne, und Unternehmungen, bei denen ich nicht dabei war. Die Aufnahme von dem roten Königspaar hängt direkt über ihrem Bett.
    »Hier ist es auch ganz hübsch«, erwidere ich schnell. »Vielleicht ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher