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Bis du erwachst

Bis du erwachst

Titel: Bis du erwachst
Autoren: Lola Jaye
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Stirn. «Kindchen» hatte Kitty sie seit Jahren nicht mehr genannt. Zu Millie hatte sie früher Mills gesagt, zu ihr Kindchen und zu Lena Le Le. Aber das lag lange zurück.
    «Bitte», schniefte sie, und in ihren Augen glänzten Tränen. Cara war verunsichert. Nicht, weil sie mit Gefühlen nicht umgehen konnte. Okay, sie war darin nicht sonderlich gut. Aber Kitty weinen zu sehen war einfach zu seltsam, und ihre erste spontane Regung bestand darin, sie nicht in den Arm nehmen zu wollen. Sie brauchte Antworten, keine Tränenausbrüche. Dazu war sie nicht bereit. Dieser Tag war ohnehin schon schwierig genug gewesen. «Ich hätte ein paar Fragen   … ein paar Dinge, die ich wissen möchte. Aber muss das alles jetzt sein? Ich habe einen schweren Tag hinter mir, mir wird das jetzt, ehrlich gesagt, zu viel.»
    «Wann dann?» Kitty war ganz offensichtlich verletzt, das konnte Cara sehen.
    «Zumindest sollte Millie auch dabei sein. Wir vier zusammen. Ich finde das nur fair. Lena würde es auch so wollen.» Dessen war sie sich immerhin sicher. Wenn Kitty all die Fragen beantworten wollte, die sich im Lauf der Jahre bei ihnen angesammelt hatten, würde sie eine Menge zu tun haben.
    Sie vereinbarten, sich am Donnerstagabend zu treffen, unter der Voraussetzung, dass auch Millie Zeit hatte.
    Als sie endlich nach Hause kam, war es zu spät, um Ade anzurufen. Daher machte Cara sich auf eine weitere Nacht gefasst, in der sie ihn vermisste. Aber bald begann sie etwas ganz anderes zu beunruhigen.
    Sie erinnerte sich daran, in irgendeiner Zeitschrift gelesen zu haben, dass sich die eigene Monatsregel mit der der Frauen um einen herum synchronisiere. Und tatsächlich war es immer so gewesen. Sobald Lena über Bauchkrämpfe klagte und Millie darüber, dass sie sich so aufgeschwemmt fühlte und die Schokolade nur so in sich hineinstopfte, konnte sie damit rechnen, dass über kurz oder lang auch bei ihr die Periode einsetzte. Aber Millie hatte schon letzte Woche gejammert, und Cara hatte sich prima gefühlt. Sie schaute in den Kalender. Sie war überfällig.
    Sehr, sehr überfällig.

32
    Millie genoss ihren ersten Tag in Michaels Firma. Man zeigte ihr, wie man Tabellen erstellte, Aufkleber druckte und Daten eingab, und für sie war das alles neu und auch aufregend und vor allem viel besser, als in einem Laden zu stehen und sich mit arroganten Kunden herumärgern zu müssen. Aber vermutlich würde ihre Begeisterung bald schwinden. Es wäre nicht das erste Mal.
    Vielleicht war es ihr ja vorherbestimmt, ein Umweltschutzprojekt in der Irischen See zu übernehmen? (Sie konnte nicht einmal schwimmen.) Oder Tattoos zu stechen? (Sie hasste Nadeln.) Oder Biochemikerin zu werden? (Was immer das war.) Nein, diesmal würde sie durchhalten und die Zeit gut nutzen. Außerdem hatte sie ein paar Türen weiter einen Laden entdeckt, in dem Vorführmodelle verkauft wurden. Im Geist hatte sie schon Weihnachtsgeschenke für Cara, Kitty und Lena ausgesucht. Und schon nach zwei Tagen hatte sie das Gefühl, sie könnte diese Arbeit so lange machen, bis sie wusste, was sie wirklich werden wollte. Sie musste immer wieder an Schwester Grattens Bemerkung letzte Woche denken, dass Nachahmung das schönste Kompliment sei. Die Krankenschwester hatte ihr zu verstehen geben wollen, dass sie dem Menschen nacheifernsolle, den sie auf dieser Welt am meisten bewunderte. Und das war natürlich Lena.
    Das war’s!
    Sie würde anderen helfen, so wie Lena! Hatte es sich nicht großartig angefühlt, Deana im Krankenhaus zu sehen? Auf ihre eigene farbige Art hatte Deana sie über ihr Leben auf dem Laufenden gehalten: wie es ihr in der Schule erging und bei ihren Pflegeeltern. Das hatte ihr eine echte, wahre, unglaubliche Befriedigung verschafft. Das warme Gefühl im Bauch war sie gar nicht gewohnt.
    Ein Anruf von Cara riss sie aus ihren Gedanken. Sie sagte etwas von irgendeinem Familientreffen nächsten Donnerstag. Sie vermutete, dass es mit Lena zu tun hatte. Hoffentlich ging es nicht um irgendetwas Großes wie den Verkauf des Hauses oder so. Schließlich lag sie erst seit drei Monaten im Krankenhaus. Noch gab es Hoffnung.
    Sie winkte Mick, dem Wachmann, freundlich zu und eilte an ihm vorbei in den Aufzug. Ihr blieben noch fünf Minuten, um auf die Toilette zu gehen, sich die Nase zu putzen und sich dann rechtzeitig zu Arbeitsbeginn an ihrem Schreibtisch einzufinden. Die für sie so charakteristische Unpünktlichkeit gehörte der Vergangenheit an. Sie war fest entschlossen, ab
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