Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis die Daemmerung uns scheidet

Bis die Daemmerung uns scheidet

Titel: Bis die Daemmerung uns scheidet
Autoren: Rachel Caine
Vom Netzwerk:
offenen, starren Augen auf dem Bett und war definitiv vollkommen tot. Noch nicht lange, vermutete Claire, denn aus der Wunde an seinem Hals tropfte noch immer Blut.
    Es war kein Vampirbiss. Ein riesiger Blutfleck hatte sich in die Matratze unter Doug gesaugt und sein T-Shirt rot gefärbt.
    Michael war sehr blass geworden – weiß wie Marmor. Er beugte sich über die Leiche, vielleicht suchte er nach irgendwelchen Lebenszeichen, und schüttelte den Kopf. Während Claire und Eve wie angewurzelt dastanden und völlig schockiert waren, durchsuchte er Dougs Rucksack, dann tastete er die Taschen des Toten ab und zog Schlüssel, Handy, Geldbeutel, etwas Kleingeld und Pfefferminzbonbons für frischen Atem heraus. Keine Blutampullen.
    »Wir müssen hier weg«, sagte Michael. »Sofort.«
    »Waren das … waren das die Vampire?«, fragte Eve. »Kannst du das feststellen?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Aber …«
    »Die, die ich kenne, hätten nicht so ein Blutbad angerichtet«, sagte Michael.
    Sie machten sich auf den Weg zur Treppe. Claire fühlte sich noch immer seltsam, als wäre sie gar nicht wirklich anwesend. Doch dann holte die Realität sie ein, als würden gleichzeitig Farbe, Ton und Geruch wieder eingeschaltet.
    Doug war tot. Er wurde ermordet.
    Sie blieb stehen, lehnte sich an die Wand des Flurs und ließ sich dann in die Hocke sinken. Sie konnte nicht atmen. Ihr ganzer Körper zitterte. Seit sie nach Morganville gezogen war, hatte sie eine ganze Menge hässlicher Dinge gesehen, aber das hier … das war schlimmer. Es wirkte so … kaltblütig.
    Und das Schlimmste daran war, dass Michael nicht glaubte, dass es die Monster getan hatten. Zumindest nicht der Teil der Bevölkerung, den sie als Monster betrachtete.
    Eve beugte sich vor und zog sie am Arm. Obwohl ihr Gothic-Make-up fehlte, sah sie vollkommen starr aus und war leichenblass. »Komm, Claire, wir müssen von hier verschwinden. Zu viele Fragen.«
    »Aber wir können ihn … nicht einfach so liegen lassen …«
    »Das werden wir nicht«, sagte Michael und packte ihren anderen Arm. Er zog sie auf die Füße und hielt sie fest, bis ihre Knie aufhörten zu zittern. »Aber wir dürfen nicht hierbleiben. Da hat Eve recht.«
    Claire klammerte sich am Treppengeländer fest. Sie konnte das Bild nicht aus ihrem Kopf vertreiben, Dougs Gesicht, das so schlaff und leer ausgesehen hatte, seine starren Augen, die nur aus Pupillen zu bestehen schienen. Die blutgetränkte Matratze.
    Auf dem Treppenabsatz des dritten Stockes blieb sie stehen, senkte den Kopf und fing hektisch an zu atmen. Eve und Michael waren schon halb im nächsten Stockwerk, doch sie drehten um und kamen zurück. Claire konnte nicht hören, was sie miteinander sprachen.
    Es dauerte ewig, bis sie sich wieder in Bewegung setzen und versuchen konnten, sich einigermaßen normal zu benehmen. Claire benutzte noch immer Michaels Arm als Stütze. Draußen setzte er wieder seinen Hut auf und führte sie in den Schatten eines Baumes, wo Claire wie ein Häufchen Elend auf dem abgestorbenen Gras zusammenklappte. Über ihren Köpfen raschelten und knisterten die vertrockneten Blätter. Einige rissen sich im auffrischenden Wind los.
    Michael ging neben ihr in die Hocke, Eve kniete sich auf die andere Seite. »Claire?«, sagte Michael. Seine Augen waren sehr blau, sehr klar und voller Sorge. »Claire, sprich mit mir. Ist alles in Ordnung?«
    »Nein«, sagte sie. Ihre Stimme klang kläglich und zerbrechlich und sie hörte sie wie aus weiter Ferne. »Er ist tot. Jemand hat ihn umgebracht.«
    Eve und Michael wechselten beunruhigte Blicke. Michael schüttelte den Kopf. »Ich gebe Richard und Hannah Bescheid«, sagte er. »Das hier muss stillschweigend geregelt werden. Sie müssen wissen, was passiert ist, bevor es aus dem Ruder läuft.«
    Wie aufs Stichwort verstummte die dröhnende Musik aus dem oberen Stockwerk des Wohnheims und aus einem offenen Fenster drang der schrille, anhaltende Schrei eines Mädchens, in dem purer Horror lag. Das war der Schrei, den Claire nicht ausgestoßen hatte, der ihr aber noch immer in der Kehle steckte. Zu hören, dass jetzt stattdessen eine andere schrie, half zumindest, den Druck abzubauen. Claire fühlte sich danach nicht mehr ganz so schwach und elend.
    »Ich glaube, der Zug ist abgefahren, Michael«, sagte Eve und starrte zum Wohnheim. Ohne Make-up wirkte sie viel jünger – und sehr entschlossen. »Besser du rufst gleich an. Das wird jetzt alles irrsinnig schnell gehen.«
    Michael nickte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher