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Bis bald, Sharma!

Bis bald, Sharma!

Titel: Bis bald, Sharma!
Autoren: Marlies Bhullar
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die abrupte Trennung von meiner großen Liebe verwandelte sich in Lethargie. Ich lag wie ein Zombie allein am See, aß nichts mehr und weinte und wartete. Nach einer Woche Schmerz entschloss ich mich, auf eigene Faust in dieses Kuhdorf  zu fahren. Es war eine schrecklich lange Fahrt, ich musste fünfmal umsteigen und fuhr den Rest nach Seewalchen in einem uralten Bummelzug. Der Sommer war zu Ende, aber es war immer noch schrecklich heiß. Ich wanderte auf der Landstraße kilometerweit zu diesem „European Homecare“, wie sich das Lager nennt. Sharma sah mich schon von Weitem, er sah vollkommen verändert aus. Er nahm mich in die Arme und weinte, ich erkannte ihn fast nicht wieder. Er hatte sich einen Bart wachsen lassen. Die schönen Haare hingen fettig über seinem schmutzigen T-Shirt, ich sah, dass er sich hatte gehenlassen. Unter seinen traurigen Augen waren schwarze Ringe. Mein Liebling. Oh Gott! Er hatte absolut nichts bei sich, nicht einmal eine Zahnbürste. Keine Unterhose - rein gar nichts. Er hatte sich zwanzig Cent geliehen, um mich kurz über seinen Aufenthalt zu informieren.
    „Jetzt sehe ich, dass du mich wirklich liebst, meine liebe Jasmin, weil du zu mir gekommen bist. Diese Woche war die schlimmste Woche meines Lebens, ich fühlte mich wie tot.“
    Ich hatte Essen und Kleidung für ihn dabei und auch ein bisschen Geld und sein Handy. Wir hatten nur vier Stunden Zeit, dann musste ich wieder zurückfahren, weil ich ja nicht in dem Lager schlafen konnte. Wir gingen in diesem ver träumten kleinen Ort, wo es nach Blüten und Kuhmist roch, spazieren und später Salat und Pizza essen. Dann legten wir uns auf irgendeiner Wiese ins bloße Gras und bedeckten unseren Schmerz mit Küssen. Obwohl er wie ein Penner aussah, war er immer noch mein Traumprinz, mein Piari, mein Liebling, den ich niemals verlieren wollte. Alle Zweifel waren wie weggeblasen. Ich wollte ihn auch nicht unnötig belasten und behielt meine Ängste für mich. Wir streichelten und küssten uns wie Besessene, die Zeit verstrich viel zu schnell. Wir besprachen, dass wir uns in Zukunft jedes Wochenende sehen wollten. Er müsse von Seewalchen nach Salzburg kommen und ich von Regensburg nach Salzburg. Wir wollten unsere Treffen so lange durchhalten, bis die Heiratspapiere aus Indien ankämen, danach würden wir heiraten und zusammen in Regensburg leben.
    Ich wusste noch nicht, was für Schwierigkeiten auf uns zukommen würden. Ein indischer Dichter hat einmal gesagt „Wenn dich die Liebe ruft, dann folge ihr, auch wenn die Wege der Liebe steil und schwer sind“. Als Sharma mich zu dem winzigen Bahnhof brachte, wo die Bimmel-Bahn war tete, um mich nach Salzburg zu bringen, zerbrach fast mein Herz. Ich wollte nicht von ihm weg. In diesem Moment wäre ich am liebsten gestorben. Er spürte, dass ich weinen wollte, und sagte mit beruhigender Stimme: „Bitte weine nicht, wenn du weinst, muss auch ich weinen, dann kann ich nicht mehr schlafen und meine Sehnsucht nach dir wird mein Herz brechen.“ Ich schluckte meine Tränen hinunter, sie blieben mir wie ein dicker Kloß im Hals stecken. Als Kind habe ich auch viel geweint, bei jeder Gelegenheit. Wenn mir in der Schule jemand etwas angetan hatte, und war es noch so bedeutungslos, weinte ich Rotz und Wasser. Ich weinte so sehr, dass ich auf dem Nachhauseweg nichts mehr sehen konnte. Meine Mutter meinte, ich solle nicht über jeden Mist heulen, ich solle ein starkes Mädchen sein. Einen solchen Kloß hatte ich im Hals, als ich mit ihm am Bahnhof stand. Er sagte, wir sähen uns bald wieder, dann stieg ich nach einem letzten innigen Kuss ein und der Zug fuhr los. „Bis bald, Sharma!“ Erst jetzt heulte ich mir die Augen aus dem Kopf. Aber das sah Sharma nicht - und auch nicht meine Mutter.
     
    Die Wochen vergingen, die grenzenlose Sehnsucht nach meiner Liebe war fast unerträglich. Ich glotzte wie eine Irre ständig auf das Display meines Handys, unsere einzige Verbindung. Ich geriet in Panik, wenn meine SMS nicht auf seinem Handy ankamen, weil das ein Zeichen für mich war, dass sein Handy abgestellt war. An Netzprobleme dachte ich nicht. Ich schrieb mir die Finger wund und er freute sich sehr darüber, schrieb aber selbst nur drei bis vier SMS, manchmal nur eine. Seine Zurückhaltung verletzte mich! Ich schrieb ihm ironische SMS, manchmal auch verletzende und unschöne. So bildete ich mir ein, dass er dort im Asylheim eine Frau hatte - wie lächerlich - und machte ihm per SMS Vorwürfe. Meine
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