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Bis auf die Haut

Bis auf die Haut

Titel: Bis auf die Haut
Autoren: Nikki Gemmell
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hervorbricht. Du fühlst dich wie ein Tier, nichts weiter. Und du ergibst dich diesem Gefühl.

130. Lektion Für die Dauer eines Vierteljahrs nach der Entbindung ist ein abgeschiedenes Leben zu führen
    Der Tag, an dem laut Ultraschall dein Baby mit größter Wahrscheinlichkeit zur Welt kommen wird.
    Aber es will nicht, es ist noch nicht bereit. Es hat eine bequeme Stellung gefunden, stemmt sich mit den Fersen gegen deine Rippen und rührt sich nicht vom Fleck. Dein Körper sagt, warte noch, ruh dich aus, sammle Kräfte.
    In der Nacht läuft unterhalb des Nabels ein Beben durch deinen Bauch wie ein Donnergrollen durch die Wüste, das jedoch letztlich nichts zu bedeuten hat.
    Eine Woche lang nichts.
    Nur gelegentliche Vorwehen, die sich hinterlistig als echte ausgeben. Sie fühlen sich an, als würde ein Nudelholz über klumpigen Teig rollen, sie pressen dich kurz zusammen und lösen sich dann wieder in nichts auf. Cole wird jetzt ungeduldig, er legt die Lippen auf deinen Bauch und versucht, das Baby durch Schmeichelworte herauszulocken. Ihr probiert alle Mittel durch. Champagner, Zupfen an den Brustwarzen, Ananas, Curry, Himbeerblättertee, alles außer Sex. Dazu bist du nicht bereit.
    Oder dazu, sein Sperma zu schlucken. Du hast gehört, dass das funktioniert. Aber etwas Schlimmeres könntest du dir nicht vorstellen, dabei ist das eins der Dinge, die er am meisten liebt. Selbst ihm zuliebe willst du es nie wieder tun.
    Gabriel hat es nie von dir erwartet, dich nie darum gebeten.

131. Lektion Die Kreißende soll sich heiteren Gemüths darein fügen, eine Leibbinde anzulegen und allen Mitteln zustimmen, zu denen Hebamme oder Arzt raten. Sie sollte an einem Leintuche ziehen, das an den Bettpfosten festgeknotet ist
    Um drei Uhr früh wachst du von einer Art kleiner grauer Wolke auf, die über deinen Bauch hinwegzieht. Es fühlt sich an, als würde ein Riese – oder Gott – auf deinen Bauch drücken.
    Du feilst dir die Fingernägel kurz, weil du gehört hast, du würdest sie so fest in Coles Fleisch graben, dass er blutet. Du duschst dich, wäschst dir die Haare, wer weiß, wann du wieder die Gelegenheit dazu hast. Du schaust Nachrichten, rufst deine Mutter an. Und irgendwann legst du dich in das Bad, das Cole dir hat einlaufen lassen, während er im Kinderzimmer sein Hemd bügelt, weil er nicht weiß, was er sonst tun soll, und er hat dich noch nie so wild
Scheiße, du lieber Gott, Scheiße
brüllen hören, und dann schreist du, er soll bitte die Klinik anrufen und dir raushelfen. Cole trägt alles ins Auto und hilft dir beim Einsteigen und du fummelst an deinen Kleidern herum, versuchst dich aus ihnen herauszuschälen, du weißt gar nicht, warum, irgendein eingefleischter Instinkt in dir fordert, dass du nichts auf deinem Körper trägst, nicht einmal eine Uhr, und bei einer Ampel umklammerst du Coles Hand, wie sie noch niemand umklammert hat, gräbst dich tief in sein Fleisch bis auf den Knochen. Die Wehen galoppieren durch dich hindurch wie wilde Büffel, o Gott, lass das Kind kommen, schnell.
    Und dann, fünf Stunden nach dem ersten Krampf in deinem Bauch, zehn Minuten nach dem Springen der Fruchtblase, flutscht das Baby heraus wie ein übers Deck schlitternder Fisch. Du hast auf allen vieren entbunden, nur mit Hilfe von Lachgas und Sauerstoff, außer Cole und der Hebamme war niemand im Raum. Eine Bilderbuchgeburt, sagt die Hebamme nachher. Leichte Wehen, lacht deine Mutter am Telefon. Du sagst ihr, dass es keine leichten Wehen gibt, dass es einen Moment gab, als du glaubtest, du würdest mittendurchreißen, dass es einen Punkt gab, an dem du dir mit ruhiger Bestimmtheit vornahmst, so etwas
nie wieder
zu machen.
    Du wusstest nicht, dass sich während der Wehen dein Darm entleeren würde.
    Du wusstest nicht, dass so viel Blut fließen würde.
    Du wusstest nicht, dass dein Bauch ein paar Stunden nach der Geburt aussehen würde wie der Kuchenbackversuch eines Kindes: ganz eingesunken und in der Mitte schwammig.
    Du wusstest nicht, dass du eine solche Liebe empfinden könntest.

132. Lektion Im Augenblicke, da ein beliebiger Theil eines lebenden Wesens aufhöret, sich zu verändern, im selben Augenblicke stürbt es
    Cole sitzt auf dem Stuhl neben dem Bett, auf dem du geboren hast. Er krümmt sich mit dem ganzen Körper um das zerzauste Bündel herum, das sein Sohn ist, als wollte er ihn gegen das grelle Licht und die Hebamme abschirmen, während deine Scheide genäht wird. Coles Gesicht hat Sprünge bekommen, es ist
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