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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts
Autoren: M Sayer
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bleiben und habe bisher noch kein bisschen von der Stadt gesehen.« Er lehnte sich nahe an sie heran und steckte eine ihrer Haarlocken hinter ihr Ohr. »Mit Ausnahme von dir natürlich. Du bist ein sehr hübscher Anblick.«
    Pearl spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss.
    »Und außerdem spielst du ganz großartig«, fügte er noch hinzu. »Mit deinem Altsaxofon kommst du wirklich toll zurecht.«
    Das nahm sie ihm nicht so ganz ab, trotzdem freute sie sich über das Lob. Mit einem Lächeln bemerkte sie im Schatten an der Hecke ein sich küssendes Paar.
    Pearl murmelte nur noch ein »Danke«, dann machte James sofort einen Vorschlag. »Na, Herzchen, was hast du denn morgen Abend vor? Was hältst du davon, wenn wir beiden Hübschen zusammen ausgehen?«
    Pearl war so überrascht, dass sie im ersten Moment nicht wusste, wie sie reagieren sollte. Wenn ihre Mutter davon Wind bekam, dass sie vorhatte, mit einem schwarzen Amerikaner auszugehen, würde sie der Schlag treffen. Sie griff nach ihrem Instrumentenkasten und starrte über den Rasen, um Zeit zu gewinnen. Mit einem Mal erkannte sie das sich küssende Paar. Der Mann war Martin, und seine Hände verschwanden bereits unter Romas Kleid.
    Da fiel ihr auf, dass ihr Zwillingsbruder tun und lassen konnte, was er wollte, ohne dass er sich Gedanken machen musste, was seine Mutter oder sonst jemand davon hielten. Außerdem und andererseits – so ein interessanter Mensch war ihr noch nie über den Weg gelaufen. Möglicherweise war es sein Akzent oder die Art, wie er ihr in die Augen schaute, wenn er mit ihr sprach. Oder die Art, wie er Saxofon spielte.
    »Isst du gern Fish and Chips?«, fragte sie.
    Er legte seinen Kopf schief und sagte: »Ich werde das sicher mögen, wenn du es magst.«
    »Weißt du, wo Circular Quay ist?«
    »Das habe ich auf dem Stadtplan gesehen. Ziemlich nahe am Hafen.«
    Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie Martin Roma gegen einen Baumstamm drückte.
    »Dann treffen wir uns an Kai fünf«, schlug sie vor. »Sagen wir, um sechs?«
    »Vielleicht besser um halb sieben«, antwortete er. »Und dass du dich nicht verspätest!«
    Daraufhin lehnte er sich über sie und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn. Als seine Lippen sie berührten, kribbelte ihre ganze Kopfhaut.

2
    »Also, was läuft da zwischen dir und ihr?«, fragte Pearl, die mit ihrem Bruder zusammen nach Hause ging. Ein Uhr war vorbei, und es hatte aufgehört zu regnen. Auf den Straßen war es ruhig, nur ein Hund bellte irgendwo in der Ferne.
    »Mir und ihr?«, fragte Martin zurück und schlenkerte den Kasten mit seinem Saxofon vor und zurück, während sie die Bourke Street Richtung Taylor Square überquerten. »Wen meinst du damit?«
    Pearl boxte ihm in den Oberarm.
    »Ich kann doch nichts dafür, wenn Frauen mich unwiderstehlich finden«, gab er als Scheinerklärung zum Besten und drehte sich wenige Schritte vor ihr tänzelnd um seine eigene Achse, wobei er seinen freien Arm wie einen Flügel auf und ab bewegte. Ein Windstoß fegte durch die Straße und blähte seinen Mantel auf. Er drehte sich noch einmal um sich selbst und knallte die Hacken zusammen.
    »Ich werde mich morgen Abend mit diesem Saxofonisten treffen«, sagte sie wie nebenbei. »Er hat mich darum gebeten.«
    Martin ging in normalem Schritt weiter. »Na ja, und ich werde mit Roma ausgehen. Und zwar ins Kino.«
    Sie bogen um die Ecke in die Oxford Street ein. »James stammt aus den Südstaaten. Aus der Nähe von New Orleans.«
    »Ah ja? Na ja, Roma kommt aus dem Busch«, fuhr er fort. »Von einer Mission irgendwo Richtung Dubbo. Sie lebt jetzt bei einer Tante in Redfern. Du weißt schon, berüchtigter Stadtteil.«
    »James meint, ich sei ganz hübsch.«
    »Roma findet, ich sollte beim Film sein«, konterte Martin.
    »Als was? Als Tarzans Affe?«
    Martin holte mit dem Arm in ihre Richtung aus, aber sie duckte sich weg und lief lachend über die Straße.
    Bis sie das viktorianische Haus in Potts Point erreichten, wo sie mit ihren Eltern und ihrer Großmutter lebten, war es fast zwei Uhr morgens. Ihre Mutter Clara und ihr Vater Aubrey lebten seit 1920 in dem Haus mit Blick über den Hafen; es war von Anfang an als das Heim für ihre künftige Familie gedacht. Clara war eine Schlagzeugerin, die gelegentlich auch als Sängerin und Tänzerin in Travestieshows zu sehen war; Aubrey spielte Tenorsaxofon und Ukulele, komponierte seine eigenen Lieder und trat damit auf. Drei Jahre nach ihrer Heirat war Clara schwanger geworden,
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