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Birne sucht Helene

Birne sucht Helene

Titel: Birne sucht Helene
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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jetzt kaputt.«
    »Er hasst das Ding. Es erinnert ihn an eine Babykatze.«
    »Er hat es zerfetzt.«
    »Du bezahlst ein Neues!«
    »Ich hab Skorbut.«
    »Du musst trotzdem blechen.«
    Was für eine lausige Krankheit. Nicht mal Schuldenerlass war damit drin. Paul fühlte sich ganz schlecht. Jetzt nicht auch noch Sterben, dachte er. Dann wäre es endgültig ein Scheißtag.
    Am nächsten Morgen hätte Eli lieber einen Jahresordner vom Kicker gelesen, als aus der Straßenbahn zu steigen. Denn von der Haltestelle waren es nur ein paar Schritte bis zur Eselsohr-Buchhandlung am Neumarkt. Und in dieser befand sich Roman Holz. Ihr Traummann. Eigentlich. Seit gestern ihr Alptraum-Mann. Sie hatte erfolglos versucht, sich mit einem leisen Puff in Luft aufzulösen, als sie ihn hinter sich entdeckt hatte. Diese Peinlichkeit! Undauch noch vor dem Chef, diesem Sean Connery für Arme! Für Bettelarme, um genau zu sein. Und Blinde. Mit haptischen Störungen. Die ganze Schicht musste Eli sein süffisantes Lächeln ertragen.
    Sie sollte sich krankmelden. Kündigen. Auswandern. Ihr Gesicht chirurgisch verändern lassen.
    Doch Eli wollte nicht kneifen. Das gehörte sich nicht. Und sie hatte gelernt, sich ihren Ängsten zu stellen, denn sonst gingen sie nie weg.
    Trotzdem würde sie schnell hoch in die erste Etage schleichen, ohne irgendjemandem guten Morgen zu sagen.
    Mit strammem Schritt verließ sie die Bahn und ging schnurstracks auf die Buchhandlung zu. Die neuen Aktionstische standen schon draußen, obwohl sich in der Januarkälte keiner länger bei ihnen aufhielt. Eli zog ihre Winterpudelmütze tief in die Stirn und den Wollschal bis unter die Nase. Als sie sehen konnte, dass alle Kollegen am Infopunkt standen, flitzte sie vorbei in Richtung Rolltreppe und hoffte, dass sie niemand im Schutz der großen Ständer mit den vergünstigten Wandkalendern entdecken würde. Plötzlich tippte ihr jemand auf die Schulter. Sie hörte eine Stimme. Roman Holz.
    »Kein Hallo? Jetzt bin ich aber enttäuscht.«
    Gott, wie peinlich war das denn!
    »Hallo, Roman. Du, ich muss ganz schnell hoch. Die warten schon.«
    »Ich will doch nur wissen, wie es meiner größten Bewunderin geht?«
    »Es war doch nur ein Scherz ! Ich wusste ja längst, wie du aussiehst und dass du hinter mir stehst. Das war alles nur ein Spaß zum Einstand. Klar?«
    »Glaub ich dir nicht.« Er kam näher. »Wenn du willst, begrüße ich dich jeden Morgen mit einem Kuss.« Er spitzte die Lippen. Dannlachte er – und im Hintergrund die Kolleginnen. Sogar Löschi war dabei. Na warte, Bürschchen.
    »Du spinnst doch total!«
    Sie drehte sich um und sprintete die Rolltreppe hoch.
    Am liebsten hätte sie auf dem Weg zur Garderobe das ganze Regal mit den Beziehungsratgebern umgeschmissen. Denn das Buch, das sie jetzt brauchte, gab es dort nicht: »Vom Traummann verarscht – So reagieren Sie richtig!«. Oder: »Warum Frauen nicht nach hinten gucken und Traumtypen sich als Arschlöcher herausstellen«.
    Auf der Theke, wo sie heute Dienst hatte, lag ein in rotes Papier mit weißer Schleife eingepacktes Buch. Ihr Name stand darauf. Keiner schaute zu ihr, also öffnete sie es. Das große Buch der 10 000 Vornamen . Auf der ersten Innenseite war eine Widmung:
    Liebe Eli,
    schau’s mal in Ruhe durch, vielleicht können wir uns ja einigen? Ich bin für Hieronymus, Chantalle und Tronte.
    Dein Roman
    Sie riss die Seite heraus, pfefferte sie in den Mülleimer und stellte das Buch ins Regal mit den Ramschexemplaren.
    Alles untermalt von wütendem Fluchen. Doch kein Kollege kam, um nachzuschauen, was los war. Komisch. Dann fiel ihr mit Schrecken ein, was der Grund sein könnte. Sie blickte an die Decke und winkte in die Überwachungskamera. Traum-Man is watching you.
    Löschi ging ihr den ganzen Vormittag wohlweislich aus dem Weg. Und auch ansonsten sah sie die anderen nur aus der Ferne – tuscheln. Wie lange würde es wohl dauern, bis Gras oder am besten ein ganzer Wald über diese Episode gewachsen war? Wahrscheinlich bis die Sonne sich in einen Roten Riesenverwandelte und die Erde verschlang. In rund 12 Milliarden Jahren.
    Eli war froh über jeden Kunden, der sie ablenkte. Sie fieberte der Mittagspause entgegen, dann würde sie … Eli hatte keine Ahnung, was sie dann tun würde. Hauptsache rausgehen, durchatmen, nicht jedes Mal zucken, wenn sich jemand näherte, der Roman Holz’ Statur hatte.
    Kurz vor eins kam dann allerdings doch einer, bei dem dies definitiv der Fall war. Es war das
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