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Bios

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Titel: Bios
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infiziere sie mit Pocken – etwas in der Art?«
    »In Anbetracht Ihrer Situation, Mr. Hayes, will ich über Ihren anmaßenden Ton hinwegsehen. Ich hätte den Mädchen wirklich etwas Besseres als diese Teheraner Einrichtung gewünscht. Politische Umstände haben uns die Hände gebunden. Allerdings, ja doch, ihre Unterbringung dort diente letztlich der Wissenschaft.«
    »Sie glaubt, Sie hätten sie gerettet. Da hätten Sie sie auch gleich vergewaltigen können.«
    »Wir reden hier über eine Familienangelegenheit. Als Sie Ihre Heimat verlassen haben, Mr. Hayes, hätten Sie auch Ihre Art moralischer Selbstgefälligkeit zu Hause lassen sollen. Die familiäre Wertordnung ist unanfechtbar.«
    »Geben Sie Dieter das Mikro, Theo«, sagte Hayes nachdrücklich.
     
    *
     
    Jetzt erschienen immer mehr Gräber auf der Bildfläche, aber alle machten einen großen Bogen um ihn. Er wollte sie auf keinen Fall reizen. Sie hätten sich an Zoe rächen können – falls sie zu solchen Gedanken fähig waren.
    Dieter Franklin meldete sich verspätet zurück. »Du machst dir das Leben nur noch schwerer, Tam.«
    »Schwerer geht nicht. Hört Theo mit?«
    »Master Theophilus hat die Nachrichtenzentrale verlassen, wenn du das meinst. Aber dieses Gespräch wird aufgezeichnet.«
    »Dieter, ich hätte da eine Frage. Der Biopanzer – der ist doch so etwas wie eine Mini-Bodenstation, richtig? Ich meine, er hat eine Reihe von Peripherien rings um einen sterilen Kern.«
    »Könnte man sagen. Dicker Panzer für Elektronik und Servomotoren, darunter Gelpolsterung, zu guter Letzt eine schützende Schicht, ungefähr so dick wie deine Haut.«
    »Worauf kann ich zur Not verzichten?«
    »Sag das noch mal, Tam.«
    »Auf wie viel Panzer kann ich verzichten, ohne mich gleich umzubringen?«
    Diesmal entstand eine größere Pause. Hayes besah sich den Eingang in den Erdhügel. Dunkel wie ein Dachsloch. Eng wie ein Abwasserkanal.
    »Prinzipiell auf nichts«, sagte Dieter. »Das geht so nicht.«
    »Beantworte die Frage.«
    »Ich bin kein Ingenieur. Wenn du willst, ziehe ich Kwame hinzu.«
    »Kwame weiß nicht mehr als du. Du kannst die Montur herunterbeten.«
    »Ich übernehme keine Verantwortung…«
    »Verlangt auch keiner. Die Verantwortung liegt voll und ganz bei mir. Beantworte die Frage.«
    »Naja… wenn du den schweren Panzer wegnimmst, wirst du wahrscheinlich nicht gleich sterben. Den Helm brauchst du wegen der Luftreiniger. Und dann stehst du da in einer Plastikhülle, nicht dicker als Aluminiumfolie. Ja, sie hält dir die heimischen Mikroorganismen vom Leib, aber höchstens für zwei Stunden. Schürf dir vorher den Ellbogen auf und es geht verdammt schnell. Tam, das ist eine total verrückte Idee.«
    »Ich muss sie da rausholen.«
    »Ihr geht beide drauf dabei.«
    »Wenn’s sein muss«, sagte Hayes. Seine Hände nestelten schon an den Verschlüssen der Stiefel.
     
    *
     
    Dieter Franklin holte Avrion Theophilus im Korridor ein. »Master Theophilus, ich möchte mich für Tam Hayes entschuldigen.«
    »Nicht Sie haben sich zu entschuldigen, Mr. Franklin.«
    »Sir, ich bin fest überzeugt, es durchkreuzt nicht unsere Pläne. Ich meine, sollte er es irgendwie nach Yambuku schaffen, dann werden wir ihm doch einen Shuttle schicken… nicht wahr?«
    »Familiensache«, sagte Theophilus forsch. »Machen Sie sich keine Sorge.«

 
Fünfundzwanzig
     
    Außer Zoe war keine Menschenseele im Hofraum des Waisenheims, Zoe lauschte den Wintersternen.
    Sie lauschte mit geschlossenen Augen, weil es zum Sehen zu finster war. Sie lauschte mit hängenden Armen, weil die Arme zu schwer waren, um sie zu bewegen. Sie atmete durch den Mund, weil die Luft zum Schneiden dick war und nach fremden Tieren stank.
    Vielleicht war sie ja gar nicht im Hofraum… aber da waren die Sterne, Stimmen wie von einem weit entfernten Kirchenchor in einer kalten Nacht, Stimmen wie das Pfeifen eines Zuges, das aus der Prärie herüberwehte. Stimmen wie Schneeflocken, die am Schlafzimmerfenster wisperten. Stimmen wie das gelbe Licht, das aus den Wohnungen der Fremden fiel.
    Es tat gut, nicht allein zu sein. Zoe zitterte vor Fieber (seit wann hatte sie Fieber?) und versuchte sich auf den Klang der Sterne zu konzentrieren. Sie wusste, dass sie einem ausgedehnten und unsäglich alten Gespräch lauschte; nicht, dass sie wirklich etwas verstanden hätte, aber alles strotzte vor Bedeutung, eine fremde Sprache, so komplex und so wunderschön, dass sie Sinn absonderte wie eine Blüte den Nektar.
    Es
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