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Bios

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Titel: Bios
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reich an Nanobakterien zur Regeneration des Gewebes. Nach getaner Sabotage – und voller Gewissensbisse – ging Anna an ihre eigentliche Arbeit, drehte den Körper der Bewusstlosen in seiner Aufhängung und schnitt in die Bauchmuskulatur, um einen erschöpften Blutfilter zu ersetzen. Zoe vereinte eine Menge innovativer Technik in ihrem Körper, hauptsächlich Immunsystemverstärker, wie Anna sie nie zuvor gesehen hatte. Rotgeäderte, weiße Biomodule, die an der Bauchaorta nisteten wie Insekteneier auf Wolfsmilch. Anna ignorierte diese mysteriösen Vorrichtungen; sie ersetzte den ausgedienten Nierenfilter und verschloss das Muskelgewebe mit einer weiteren Portion Gel.
    Und fertig war sie. Sie befahl dem Narkostaten, einem schwarzen, ungeschlachten Roboter der pflegeleichten Zunft, Zoe in einen Zustand natürlichen Schlafs zu versetzen und den schmerzstillenden Tropf beizubehalten. Schließlich zog sie die Handschuhe aus und trat von der Aufhängung zurück.
    Jetzt begannen ihre Hände wirklich zu beben. Annas siebzig Jahre waren im Schnitt etwa die halbe Lebensspanne eines Seniormanagers oder eines Adligen, während sie selbst nur den Status eines Technikers dritter Klasse besaß und ihre Telomerasen rapide zur Neige gingen. Noch bevor diese Dekade zu Ende war, würde sie laufbahngerecht in einem geriatrischen Hospiz auf der Erde landen. Wo ihre Hände zittern durften – derweil sie, Anna, auf ein degeneratives Leiden wartete oder auf die Zuteilung von Sterbehilfe, um ein sinnvolles und vollkommenes Leben als gute Bürgerin des Kartells und Dienerin des Adels zu beenden.
    Abgesehen von gelegentlichen Trotzreaktionen.
    Unwillkürlich warf sie einen Blick über die Schulter, doch es gab keine Zeugen für ihre kriminelle Handlung. Das kleine, kometenartige Objekt – man nannte es Phoenix – war zur Zeit so gut wie unbewohnt. Der Higgs-Transfer stand bevor und bis auf ein paar Unverzichtbare hatten alle Phoenix verlassen. Auch greifbare Beweise würde es nicht geben. Schon bald würde von Phoenix nichts weiter übrig sein als ein paar verstreute radioaktive Partikel und eine Prise Cherenkov-Strahlung.
    Glut und Asche. Der Gedanke war irgendwie tröstlich. Ihr Herz begann wieder ruhiger zu schlagen. Alles, was blieb, sagte sich Anna, waren Glut und Asche, Funken und Staub.
    Es waren die Kuiper-Techniker, die diesen kleinen Brocken ›Phoenix‹ getauft hatten. Auch die kleinste Welt, beharrten sie, sollte zu Lebzeiten einen Namen haben.
    Phoenix rollte oberhalb der Ekliptik und weit jenseits der Neptunbahn um die Sonne – durch die solare Wüste sozusagen. Es dauerte nur noch Stunden, bis Phoenix auf die denkbar dramatischste Weise sterben würde. Und mit Phoenix würde auch Zoe Fisher aus dem Sonnensystem verschwinden.
    Die Techniker, die Zoe für den Transfer rüsteten, schienen gewaltigen Respekt vor ihr zu haben, obwohl man diesen Akt schon unzählige Male durchgespielt hatte. Respekt zumindest vor den Kräften, denen Zoe in Kürze unterworfen sein würde. Am liebsten, dachte Zoe, würden sie mit ihr dasselbe tun, was die Kampfpiloten im zwanzigsten Jahrhundert mit ihren Raketengeschossen getan hatten: sie signieren.
    Aber sie war kein Geschoss. Sie war schlicht und einfach Frachtgut. Fünfeinhalb Fuß und hundertdreißig Pfund Fracht. Fracht wie die drei anderen Menschen, ein paar hundert geklonte Mäuse- und Schweineembryonen und allerhand Vorräte, die auch nach Isis sollten. Nicht lange und man würde alles in die Katakomben der Higgs-Kugel laden, die im gefrorenen Kern von Phoenix wartete.
    Der Leiter der Startvorbereitungen – einer von diesen langgesichtigen, terrestrischen Kachos (* [Japanisch] Abteilungs- oder Ressortleiter), die zwar Sternenschiffe und ihre Fracht inspizierten, aber nicht im Traum daran dachten, mit an Bord zu gehen, – er näherte sich Zoe, die erst zur Hälfte eingepanzert war. Seine Lippen waren geschürzt, ein Zeichen des Missfallens. »Ein Anruf für Sie, Bürgerin Fisher.«
    Mitten in den Startvorbereitungen? Wer jetzt noch anrief, dachte Zoe, der musste ziemlich einflussreich sein, höhere Kartell-Position oder zumindest – zu schön, um wahr zu sein – jemand aus der Abteilung für Devices & Personnel. Die untere Hälfte ihres Körpers steckte bereits in der massigen Reisemontur, stählerne Futterale, zu schwer, um sie unter gleich welchen Fliehkräften ohne hydraulische Hilfen von der Stelle zu bewegen. Sie kam sich vor wie ein fahrender Ritter, den man mit einer Winde
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