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Bios

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Titel: Bios
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technische Personal, unter ihnen Anna Chopra, verließ Phoenix in einer kleinen Armada rückstoßgetriebener Fahrzeuge.
    Anna konnte ihre kleine Trotzreaktion nicht vergessen, zu ihrem Leidwesen. Natürlich war es eine Dummheit gewesen. Eine Geste, eine Laune, nutzlos und höchstwahrscheinlich ohne Konsequenzen. Sie war versucht, sich zu stellen und die Sache aus der Welt zu schaffen; besser eine frühzeitige Sterbehilfe als noch zehn Jahre in der Geriatrie.
    Obwohl… sie hatte eine diebische Freude daran, endlich, in ihrem Alter, ein Geheimnis zu haben, das zu wahren sich lohnte.
    Hatte sie dem Mädchen einen Gefallen getan? Das hatte sie noch geglaubt, als sie mit dem Skalpell zu Werke ging, jetzt war sie skeptisch. Wenn Zoe Fisher ohne ihr neurochemisches Sicherheitsnetz aufwachte, würde sie den Unterschied nicht merken. Es würde Wochen, wenn nicht Monate brauchen, bis ihre neuralen Rezeptoren den Thymostaten vermissen und darauf reagieren würden. Die Symptome würden erst nach und nach auftreten und ließen Zoe vielleicht Zeit genug, sich auf das ungeregelte Leben einzustellen. Womöglich gefiel sie sich im Laufe der Zeit besser so. Doch früher oder später würde sie dem Kartell auffallen. Ihr Thymostat würde ersetzt werden, und was Zoe auch immer an innerer Bereicherung erfahren hatte, würde sich wieder verlieren. Aus der Traum.
    Und trotzdem… alles Geborene war dem Tod geweiht, mit Ausnahme des Kartells vielleicht, und wenn Leben irgendeinen Sinn hatte, dann war selbst ein kurzes Leben besser als gar keins. Im Grunde ihres Herzens gefiel Anna die Vorstellung, dass sie eine Zoe Fisher, ein Retortenbaby von Devices & Personnel, für kurze Zeit den Klauen des Kartells entrissen hatte.
    Tu etwas, Zoe, dachte Anna. Tu etwas ganz Verrücktes, Törichtes oder Großartiges. Heule, verliebe dich, schreibe Gedichte. Sieh dich mit rollenden Augen in deiner neuen Welt um.
    Sie justierte den Kabinenschirm auf die Außenansicht von Phoenix, nur mehr ein schwacher Lichtpunkt in einem schwarzen, leeren Schacht. Sie war zu dem Schluss gekommen, sich den Start anzusehen – die strahlende Blüte der Fusion, die glühende, verblassende Morgenröte.
     
    *
     
    Komatös und eingepfercht, wie sie war, wurde Zoe zu einem weiteren, passiven Gegenstand, die allesamt von gehorsamen Robotern ins Herz der Transferanlage transportiert und in der Nutzlastkugel angeschirrt wurden; letztere hing an gewaltigen Masten über dem entkernten Massiv aus Gestein und Eis. Die Kugel war umgeben von riesigen, oktogonalen Kristallen; diese Linsen aus exotischer Materie würden zusammen mit dem Rest von Phoenix vernichtet werden, doch Femtosekunden zuvor würden sie ihren Zweck erfüllt haben.
    Der kometenähnliche Körper war hergerichtet für eine Induktionsfeld-Fusion. Weder Zoe noch die Roboter waren sich des Countdowns bewusst, der in den unterkühlten Prozessorbanken von Phoenix tickte. Ausgelöst wurde die Detonation durch Prozessoren in der Nutzlastkapsel, und zwar gleich nachdem die pannensicheren Sequenzen ausgeführt waren.
    Es war der dritte interstellare Transfer in diesem Erdjahr, jeder so teuer wie ein nagelneues Kuiper-Habitat oder eine ebenso neue marsianische Luftfarm. Ein messbarer Bruchteil des solaren Bruttosozialprodukts floss in dieses Projekt. Seit den altehrwürdigen Zeiten von Apollo und Sojus war die Erforschung des Alls nicht mehr so schwer zu handhaben und zu finanzieren gewesen wie heute.
    Es gab kein Zurück mehr. Mikroschalter, monatelang in der Schwebe gewesen, fielen jetzt in die endgültige Stellung.
    Zoe schlief, und falls sie träumte, so nur von einer Bewegung, einer Trennung so archaisch wie das Kalben eines Gletschers.
    Das Licht in ihren Träumen war grell.

 
     
TEIL
     
EINS

 
Eins
     
    Bewusstlos in die nahezu fensterlose Orbitalstation von Isis dekantiert, sehnte Zoe sich jetzt nach einem ersten Blick auf ihre neue Welt. Das Verlangen war in der Tat so groß, dass sie einen ernsthaften Bruch des Protokolls erwog.
    Auf jeden x-beliebigen Bildschirm ließ sich ein Bild von Isis zaubern, keine Frage. Und solche Bilder hatte sie viele Jahre lang zu sehen bekommen, täglich manchmal – Bilder, die entweder von der IOS (* Isis-Orbitalstation) nach Sol übertragen oder durch Planeteninterferometrie gewonnen wurden.
    Aber das war nicht genug. Sie war jetzt endlich vor Ort: kaum ein paar hundert Kilometer von der Oberfläche entfernt, im niedrigen Orbit. Sie war in einem Augenblick weiter gereist als
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