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Bios

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Titel: Bios
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einschalten?«
    Sie drehte und wendete das Gerät, bis sie die kleine Mulde fand. Sie legte wiederholt den Daumen hinein und wurde durch ein kurzes Zirpen und das Aufleuchten einer winzigen roten Kontrolllampe belohnt. Der Sender arbeitete.
    So winzig die Lichtquelle war, sie gab Zoe das Augenlicht zurück. Zoe hielt sich das Kontrolllämpchen vors Gesicht und badete in seinem Schein. O du kostbarer Funke! Der Funke beleuchtete, wenn auch nur schwach, alles was nicht weiter als zehn Millimeter von ihm entfernt war.
    Sie hielt die Hand dicht daneben.
    Was sie sah, war unerfreulich.
    »Da!«, sagte Tam. »Da ist er! Laut und deutlich. Halt die Ohren steif, Zoe. Es dauert nicht mehr lange.«
     
    *
     
    Die Sterne – zumindest aber ihre Planeten – lebten und hatten seit Jahrmilliarden Selbstgespräche geführt (Selbstgesänge, verstand Zoe).
    Isis, in der Maske des erinnerten Dieter Franklin, sang ihr ein wohltuendes Lied. Ein Kinderlied. Ein Lied, das ihr die Kindermädchen damals gesungen hatten, einen albernen Reim über die Meeresküste. Hält man sich ein Schneckenhaus ans Ohr, dann hört man das Meer.
    Bewusstsein, erklärte ihr Isis, werde in den winzigen Dingen des Universums geboren, obwohl kein winziges Ding mit Bewusstsein begabt sei. Eines Tages, so Isis, sei das Leben auf die Idee gekommen, bei der Zellteilung einen unsichtbaren Kontakt aufrechtzuerhalten, und zwar durch eine Quantenäquivalenz von Elektronpaaren, die in Mikrotubuli geparkt wurden, »wie bei eurer Partikelpaar-Verbindung zur Erde«.
    Eine Technik, die vom Leben erfunden wurde, dachte Zoe. Wie so vieles andere auch. Augen zum Beispiel: Photoneneinschläge in neurochemische Ereignisse von einer Raffinesse zu verwandeln, die Frösche Fliegen fangen und Menschen Rosen bewundern lässt. Wir sehen die Sterne, dachte Zoe. Aber hören können wir sie noch nicht.
    Mit Bewusstsein begabte Lebewesen, so Isis, seien sehr selten im Universum. Sie würden wegen ihrer Seltenheit gehegt und gepflegt. Die galaktische Biosphäre sei überglücklich, dass ihre Waisenkinder heimgefunden hätten. Isis bedaure den sinnlosen Tod so vieler – kurzes Aufflackern an dieser Stelle von Macabie Feya, Elam Mather –, doch das sei unabwendbar gewesen, ein unwillkürlicher Reflex der isischen Biosphäre; ein Geschehen so autonom wie Zoes Herzschlag und genauso schwer zu bändigen. Aber Isis tue ihr Bestes.
    »Ich bin nicht tot«, bemerkte Zoe.
    »Du bist anders, mein Kind.«
    So anders, dass ich überlebe?
    Eins von meinen Mädchen hat überlebt.
    Isis ging nicht weiter darauf ein.

 
Sechsundzwanzig
     
    Zu spät, dachte Kenyon Degrandpre.
    Er schritt hocherhobenen Hauptes den Ringkorridor der todwunden IOS hinunter.
    Zu spät.
    Seht her, dachte er. Sehe ich nicht fesch und adrett aus in meiner Uniform? Der Ringkorridor war wie ausgestorben – viele von der Belegschaft hatten es vorgezogen, allein in ihrer Kabine zu sterben, und die wenigen, die ihm begegneten, taten es immer noch mit schreckhafter Ehrerbietung. Er hatte die Hand an der geflochtenen Peitsche, für alle Fälle. Doch der weise Manager greift selten zur Prügelstrafe.
    Er schritt steif und formell auf das letzte Dock zu, wo das Rettungsboot wartete, um ihn von der IOS zur Higgs-Schleuder zu bringen. Er lauschte seinen Schritten, Rhythmus und Gleichmaß waren ihm wichtig. Kein Schlenker nach links und keiner nach rechts. Er ging in der Mitte des Ringkorridors, die gerippten Wände gleich weit von den gestrafften Schultern entfernt. Nur an den niedrigen Schotts verzichtete er auf Haltung.
    Er kam durch einen Sektor mit Mannschaftsquartieren. Jeder an Bord verfügte über ein privates Quartier, spartanische Stahlzellen, kaum größer als die Lesenischen in Bibliotheken. Ein paar Türen standen offen und Degrandpre sah den einen oder anderen auf dem Klappbett liegen, schlaff und mit glibbrigem Blut an Nase und Lippen. Gelegentlich ein Stöhnen, ein Schrei. Die meisten Türen waren geschlossen. Die meisten Menschen zogen es vor, in Abgeschiedenheit zu sterben.
    Man dürfe nicht übersehen, hatte Nefford gesagt, dass es so lange dauere. Damit konnte er nur die Inkubationszeit gemeint haben, die für isische Verhältnisse völlig überzogen war. Während die letzte Phase im Zeitraffer verlief: drei bis vier Stunden von den ersten Symptomen bis zum Tod. Nicht mehr.
    Den Überlebenden, an denen er vorbeikam, stand die nackte Angst im Gesicht. Sie waren nicht gestorben, aber sie waren dem Tode geweiht; manche
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