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Bios

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Titel: Bios
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kehrt.
    Nicht aufgeben, Mac, dachte Hayes.
    Yambuku brauchte nicht noch einen Märtyrer. Isis hatte schon zu viele Leben gefordert.
     
    *
     
    Der isische Tag war im Schnitt drei Stunden länger als der irdische, der Neigungswinkel der Drehachse des Planeten war nicht so spitz und die hiesigen Jahreszeiten milder. Die Sonne schwebte über dem Copper-Gebirge, als Hayes in seinem unsäglich klobigen Biopanzer Yambuku verließ. Der Wald ringsum war bereits zugeschüttet mit Schatten; in einer guten Stunde würde die lange isische Abenddämmerung beginnen.
    Rings um die Station war der Boden kahl; ein gewaltiges Areal war brandgerodet und mit langlebigen Herbiziden versetzt worden. Yambuku, das Kernstück und die vier konzentrischen Ringe, lag wie ein verlorenes Schmuckstück auf dem verkohlten Ödland. Die Zone sollte verhindern, dass die Pflanzen über die Wände aus Gemengepresslingen wucherten, in Eingängen nisteten und Dichtungen angriffen. Doch die Zone erinnerte Hayes an etwas anderes: den leeren Raum zwischen einer Festung und der Außenmauer; an das Schussfeld.
    Die Zone half nicht gegen frei schwebende Mikroorganismen – die wahrscheinlich für die ständigen Dichtungspannen sorgten – und schon begann die Vegetation wieder vorzurücken, grüne Kriechpflanzen, die sich wie zögernde Kundschafter aus dem Schutz des Waldes wagten.
    Hayes, der in seiner modernen Ritterrüstung schwitzte, hatte das vertraute Gefühl, zwar in der Landschaft zu sein aber nicht dazu zu gehören. Jede Sinneswahrnehmung – das Knistern des verbrannten Bodens unter seinen Füßen, das Flüstern der Blätter im Wind –, alles wurde von den Sensoren des Anzugs übermittelt. Dicke Handschuhe, so feinfühlend und fingerfertig sie auch waren, dämpften jede Berührung; das Gesichtsfeld war eingeengt, sein Geruchssinn taub. Dieses Flusstal war so üppig und wild wie ein Sommergarten, doch er konnte es nur aus zweiter Hand erleben, als Roboter, als halber Mensch.
    Es würde ihn zweifellos bei der erstbesten Gelegenheit töten.
    Er folgte der gekrümmten Wandung der Station, die sich wie eine Kalksteinklippe im schrägen Sonnenlicht erhob, und erreichte schließlich die Stelle am Roboterhangar, wo Macabie Feya in der Falle saß.
    Das Problem war nicht zu übersehen. Das rechte Bein war unterhalb der Hüfte durchgebrannt und hatte eine züngelnde, verkohlte Lücke in der Außenhülle hinterlassen. Die Primär- und Sekundärhydraulik unterhalb der Taille war in einem hoffnungslosen Zustand. Er hockte in einer linkischen Stellung, schien mitten in der Bewegung erstarrt.
    Seit dem Unfall waren fast acht Stunden ins Land gegangen. Der Anzug hatte die Aderpressen angelegt und würde, falls nötig, eine CPR (* cardio-pulmonale Reanimation = Herz-Lungen-Wiederbelebung) durchführen und Herzstimulanzien verabreichen; selbst mit restlos ruinierten Rumpfsystemen funktionierte die Maschine noch gut. Für jemanden, der verletzt und alleine war, waren aber acht Stunden eine lange Zeit. Und das bescheidene Reservoir an Analgetika und Narkotika war nahezu erschöpft.
    Vorsichtig näherte Hayes sich seinem verletzten Freund. Die Beine des Anzugs mochten blockieren, aber die kraftverstärkten Arme waren beweglich. Wenn Mac in Panik geriet, konnte er ziemlichen Schaden anrichten.
    Zwei Gelände-Roboter rollten aus dem Weg, als Hayes näherkam, die Kameras guckten hin und her zwischen ihm und Macabie. Das waren natürlich Yambukus Augen. Elams Augen, genau genommen: Elam Mather führte die Roboter. Und wie friedlich alles erschien in der Stille des Spätnachmittags. Vögel schwätzten hoch oben in den Bäumen, ein schwarz glänzender Mittagskäfer spazierte über die verkohlte Rodung – wie ein winziger viktorianischer Bankier. Hayes räusperte sich. »Mac? Mac, kannst du mich hören?«
    Seine Stimme wurde per Funk in Macs Kopfhörer übertragen. Wir hören die Insekten besser als die Stimme des anderen, dachte Hayes. Zwei Abgeschiedenheiten, die sich auf einem mikrobiotischen Ozean mit Handflaggen verständigen.
    Keine Antwort, nur das leise Summen der Trägerwelle. Mac musste wieder das Bewusstsein verloren haben.
    Hayes war jetzt so nahe, dass er das Leck im Anzug untersuchen konnte. Der Anzug bestand aus mehreren Schichten, Hydraulik und Servomotoren arbeiteten normalerweise isoliert von der feuchten menschlichen Fracht einerseits und der aggressiven isischen Biosphäre andererseits. Die Überhitzung hatte die äußere, flexible Panzerschicht wie Folie
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