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Binärcode

Binärcode

Titel: Binärcode
Autoren: Christian Gude
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völlig fremd, es hätte auf einem anderen Stern spielen können.
    »Sie haben mit Ihrer Smith & Wesson vier Schüsse abgegeben, drei der Projektile haben wir am Sockel des Hochbunkers gefunden. Charli hat es von hinten erwischt, aus Richtung des Bunkers, sie hat keinen einzigen Schuss abgegeben. Wir haben weitere Projektile aus der Tatwaffe in den Eisenbahnschwellen gefunden, außerdem Einschlagspuren rechts und links davon. Sieht so aus, als hätten Sie dort Deckung gesucht .«
    Rünz trat zum Flipchart, nahm Wedel den Edding aus der Hand und zog eine Linie vom Hochbunker bis zum Schwellenstapel. Charli lag exakt auf der Mitte der Geraden, er selbst auf halbem Wege zwischen ihr und seiner Deckung. Er atmete erleichtert auf, Bunter schien seine Gedanken zu ahnen.
    »Ihrer Lage auf dem Boden nach zu urteilen sind Sie auf Charli zugerannt und dabei über eine alte Eisenbahnschiene gestolpert«, sagte er. »Sieht so aus, als wollten Sie ihr helfen. Sie müssen den Täter bei seiner Beschäftigung mit dem Dicken gestört haben, er hat sich wohl erst seitwärts in die Büsche geschlagen, als er Sie kommen sah, ist dann zurück Richtung Ausgang und in den Hochbunker. Wahrscheinlich haben Sie ihn nicht verfolgt, sondern sich erst mal um den Dicken gekümmert. Vom Bunker aus konnte er Sie dann bequem in der Deckung festnageln – bis Charli kam .«
    »Hmm, aufgesetzte Schüsse. Und riesige Stanzmarken«, murmelte Rünz, über die Aufnahmen des Frankfurter Rechtsmediziners gebeugt.
    »Ein Schalldämpfer. Oder haben Sie eine bessere Idee, Chef ?«
    Wedel schien langsam wieder zur gewohnten hierarchischen Ordnung zurückzukehren.
    »Die fünf Beinwunden sind Durchschüsse«, sagte er. »Wir konnten die Projektile im Erdreich sicherstellen. Im freien Gelände hat er seine ausgeworfenen Patronenhülsen eingesammelt. Oben im Hochbunker hat er das wohl auch versucht, Pech für ihn, dass da oben durch die kleinen Sehschlitze kaum Licht reinfällt. Wir konnten zusätzlich zwei Hülsen sicherstellen .«
    Er reichte seinem Vorgesetzten ein Tütchen mit den Munitionsüberresten. Rünz ging zum Fenster und begutachtete die Beweisstücke im Licht der Wintersonne.
    »Da haben wir ja einen richtigen Klassiker, 7,62 x 54 Millimeter rimmed !«
    »Das Kaliber gehört immer noch zur Standardausrüstung der Armeen in Russland und Osteuropa«, sagte Wedel. »Die Experten vom KTI faxen uns noch eine Liste der Waffen, die mit dieser Munition …«
    »Darauf braucht ihr nicht zu warten«, unterbrach Rünz. »Die russische Mosin-Nagant, Standardwaffe der sowjetischen Infanterie bis in die 50er-Jahre. Außerdem die MG Degtjarow DA, ein Maschinengewehr, hat die Luftwaffe in ihren Tupolewbombern eingesetzt. Dann hätten wir noch die Tokarew SVT-40, die Scharfschützenwaffe der Rotarmisten im Zweiten Weltkrieg .«
    Rünz erlebte einen der raren Glücksmomente, wenn Hobby und Beruf zu einer Passion verschmolzen.
    »Aber mit keiner dieser alten Gurken hätte der Schütze eine solche Präzision erreicht. Er hat mit der Dragunov geschossen, einer Weiterentwicklung des AK 47. Wahrscheinlicher noch mit dem Nachfolgemodell, der SVD .«
    Rünz nahm das Messingröhrchen aus der Tüte und versuchte, die Prägung auf dem Hülsenboden zu entziffern. Seit den Verletzungen an seiner Hornhaut funktionierte die Akkommodation seiner Augenlinsen nicht mehr richtig, er musste die Munition wie ein Weitsichtiger am ausgestreckten Arm auf Entfernung halten.
    »Sellier & Bellot, tschechischer Hersteller. Da ist keine Chargennummer drauf, erinnert die Jungs vom KTI dran nachzuforschen, an wen die Tschechen Munition ohne Seriennummer verkaufen. Ist Charli mit der gleichen Waffe erschossen worden ?«
    Beide nickten.
    »Da ist noch was«, sagte Wedel. »Wir haben das Handy gefunden, mit dem der Dicke den Notruf abgesetzt hat. Ziemlich ramponiert, sieht aus, als hätte jemand drauf rumgetreten .«
    »Hmm, der Täter nimmt ihm alles weg, Geld, Papiere, Brieftasche, und lässt das Handy liegen«, murmelte Rünz.
    »Oder der Tote hatte nichts mitgenommen außer seinem Handy«, sagte Bunter.
    »Was ist mit der Seriennummer und der SIM-Karte? Wisst ihr, wo das Gerät gekauft wurde? Habt ihr gespeicherte Telefonnummern, SMS, Verbindungsdaten, Gesprächsaufzeichnungen des Netzbetreibers ?«
    »Das ist kein marktübliches Gerät«, antwortete Bunter. »Der Dicke muss ein ziemlicher Geheimniskrämer gewesen sein. Ein Kryptohandy von Pfeiffer & Weiss auf der Basis eines alten Siemens S35i.
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