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Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Titel: Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)
Autoren: Philipp Möller
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eigentlich Johannes heißt, in jedem Satz mindestens einen englischen Begriff. Wie man es von einem Vertreter seiner Modegattung erwartet, trägt er knallenge Hosen, spitz zulaufende, ausgelatschte Lederschuhe, einen Vollbart, ständig eine Mütze über seinem wuschigen Haar und natürlich eine ganz wunderbare Hornbrille. Am Anfang habe ich ihn für seinen abgedroschenen Hipster-Look noch etwas belächelt, aber seitdem wir hier im Kiez regelmäßig zusammen Mittag essen gehen, habe ich mich in der Masse der Individualisten ganz gut an diesen einheitlichen Stil gewöhnt. Auch daran, nur noch gelegentlich nicht Englisch zu sprechen. Oder nach der Arbeit noch auf ein Bier in eine der nahe gelegenen Bars in Kreuzkölln zu gehen, dem Epizentrum des Hipstertums. Dabei habe ich mich immer wieder gefragt, warum auf dieser friedlichen Freakgattung eigentlich so herumgehackt wird. Ich persönlich stecke meine Energie nun lieber in die Auseinandersetzung mit den problematischen Exemplaren des Homo freakus , also denjenigen, die sich in die Lebensführung anderer einmischen wollen – und dazu gehören die ganzen Paradiesvögel, die hier herumflattern, ganz sicher nicht.
    In der Büroküche widmet sich Joe inzwischen akribisch seinem Lieblingsjob: Kaffee machen. »Espresso, Cappuccino, Galão, Caffé americano oder Caffé crema?« Bei Kaffee versteht Joe keinen Spaß. Er selbst nennt sich Hobby-Barista und erklärte mir gleich am ersten Tag, dass echter italienischer Espresso nur entsteht, wenn alle Parameter den Regeln des Instituto Nazionale Espresso Italiano entsprechen. Demnach müssen nämlich 25 Milliliter Wasser bei einer Temperatur von 88 Grad Celsius mit einem Druck von 9 Bar in 25 Sekunden durch 7 Gramm gemahlenen Kaffee gepresst werden.
    Mit unserem professionell kreierten Heißgetränk und einer Zigarette machen wir es uns am Küchenfenster gemütlich.
    »Twitterst du eigentlich?«, will er wissen.
    Ich schüttele den Kopf.
    »What? Wenn eure Foundation im Netz eine Crowd erreichen will, dann musst du heutzutage alle Channels bedienen!«
    »Äh, wir haben einen YouTube-Kanal. Meinst du so was?«
    Joe gibt mir lachend einen kleinen Einblick in sein Fachwissen: Fotos instagrammen und tumblern, News twittern, Veranstaltungen facebooken, auf Wordpress bloggen, Spenden über Paypal collecten und Podcasts in die Soundcloud uploaden.
    »Alle Channels müssen dann auf einer Landingpage available sein! Komm, zeig mir mal eure Website …«
    An meinem Rechner angekommen, kann er sich das Lachen nicht verkneifen und ruft schnell seinen Kollegen.
    » HTML ?« Der Nerd schlägt die Hände überm Kopf zusammen. »Wie wär’s denn, wenn ihr mal ein Open-Source- CMS einsetzt?«
    »Der Header ist ja nicht mal in den Quellcode embedded!«, fällt Joe giggelnd auf.
    Ohne auf die Tastatur zu schauen, drückt der Nerd nun ein paar Tasten, woraufhin sich ein neues Fenster öffnet. Darauf ist nichts zu sehen als Hunderte englischer Worte, die durch verschiedene Sonderzeichen voneinander getrennt sind.
    »Ah, das ist Programmiersprache, oder?«, sage ich und freue mich, nicht als Super- DAU , also dümmster anzunehmender User, abgestempelt werden zu können.
    Die Jungs drehen die Köpfe vom Monitor zu mir. »No way! Du hast noch nie einen Sourcecode gesehen?«, fragt Joe entrüstet.
    Tobi grinst. »Du gehörst wahrscheinlich auch zu den Typen, die beim Papierstau die IT -Abteilung anrufen, was?«
    »Oder im Laden nach einem WLAN -Kabel fragen!«
    Die beiden kriegen sich kaum noch ein. Also, ich muss schon bitten!
    Während der Nerd weiterhin die Softwarearchitektur unserer Website prüft, fällt ihm auf, dass mein Rechner ziemlich lahm ist.
    »Ich krieg bald ’n neuen von der Stiftung«, erkläre ich, »soll mir nur noch aussuchen, was für einen.«
    »Hol dir definitely ’n freshen Mac!«, meint Joe. »In Sachen Usability einfach unreachable.«
    »Wenn du dein Geld zum Fenster rauswerfen willst«, meint der Nerd trocken, »dann bist du da bestens beraten.«
    Ein Streit bricht zwischen den beiden los, den ich so eigentlich nur zwischen Katholiken und Protestanten oder Star-Wars- und Star-Trek-Fans kenne. Werden die Religionskriege der Zukunft vielleicht zwischen zwei Gruppierungen gefochten, auf deren Fahnen eine angebissene Frucht und ein schwebendes Fenster zu sehen sind?
    »Jungs, ich müsste dann auch mal wieder arbeiten«, unterbreche ich die beiden Streithammel irgendwann. »Außerdem kommt doch bald die Bewerberin für den vierten
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