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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
Autoren: Justinus Kerner
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ich nicht bloß, wollt ihr es, das Kommando übernehmen, sondern auch wie jeder andere Bürger mit Allen Gefahr und Anstrengung teilen werde. Es lebt in mir die feste Überzeugung, daß die Gefahr nicht so groß ist, wenn man zusammenhält, statt daß man sich einzeln jedem herumstreifenden Haufen preisgibt.« –
    Die Ludwigsburger teilten aber meines Vaters kriegerischen Geist nicht, sie bildeten wohl ein Korps, als man aber nach langer Zeit wieder eine Rekruten-Auswahl ausschrieb, entstand (am 4. Jan. 1794) ein kleiner Aufstand, weil die Bürgerschaft von der Leistung persönlicher Kriegsdienste ebenso befreit zu sein behauptete, wie die Stuttgarter. Die jungen Leute erschienen auf dem Rathause, aber mit ihnen auch die Väter und andere Bürger. Als nun mein Vater seine Obliegenheiten als Beamter der Regierung erfüllen wollte, kam es endlich zu einem persönlichen Losgehen auf ihn. Ein starker Rotgerber, Namens Breuninger, wollte ihn schützen, drückte ihn aber, ungeschickter- und unbeholfenerweise, um ihn den auf ihn Eindringenden zu entziehen, so in die Ecke, daß er fast erstickte und sich vorerst nur bemühen mußte, sich diesen Schutz vom Halse zu schaffen, worauf die Beschwichtigung des Tumultes ihm bald gelang.
    Als der Herzog zwei Monate vor dieser Begebenheit (den 3. Nov. 93) in die Residenz Ludwigsburg einzog, wurde er nicht nur von einem Bürgerkorps empfangen, dessen Einrichtung hauptsächlich von meinem Vater veranstaltet wurde, sondern auch selbst die Knaben der Stadt hatten sich zu einem wohl uniformierten und armierten Korps gebildet, dessen Anführer ich sein mußte. Als solcher überreichte ich damals dem Herzog einige von meinem Vater gedichtete Verse, mit den kurzen Worten:
    »Gnädigster Herzog! empfangen Sie hiermit die Huldigung der jungen Landmiliz.«
    Der bekannte Spezial
Zilling,
von dem später mehr die Rede sein wird, wollte da den Herzog mit einer langen Rede empfangen, blieb aber schon am Eingange stecken und brachte nichts heraus als:
    »Durchlauchtigster Herzog, gnädigster Herzog und Herr!
    Durchlauchtigster Herzog, gnädigster Herzog und Herr!«
    Inzwischen hatte sich ein junges Mädchen aus der Zuschauerreihe herauszuschleichen gewußt und kam auf ein Brett zu stehen, daß man dem hochwürdigen Herrn, der Feuchtigkeit wegen, unter die Füße gelegt hatte, worauf dieser, nachdem er zum dritten Mal: »Durchlauchtigster Herzog, gnädigster Herzog und Herr« herausgebracht hatte, sich gegen das Mädchen wandte und sagte:
    »Mädle gang weg von dem Tritt! der Tritt iss net vor di do!«
    Der Herzog antwortete Einiges auf die Anrede meines Vaters, die derselbe früher als der Spezial sein »durchlauchtiger Herzog« an ihn gerichtet hatte, und ließ dann weiter fahren.
    Die erwähnte junge Landmiliz, die über hundert Knaben zählte, erhielt zu gewissen Stunden der Woche Exerzier-Unterricht. Jener Italiener
Minoni,
wahrscheinlich vergnügt, daß durch dieses Landmilizspiel der Knaben die Beunruhigung seiner Hühner unter den Arkaden für eine Zeit lang aufhörte, stiftete dem jungen Korps eine ganz schöne große Trommel mit dem Stadtwappen; und der, durch die Lebensbeschreibung Schubarts und die Händel, die er mit diesem Freigeiste hatte, bekannte so eben erwähnte Dekan
Zilling
schenkte an das junge Korps eine schöne gelbe und blaue Fahne von Seidenstoff, mit goldenen Franzen.
    Sobald wir dieses Geschenk erhalten hatten, kommandierte ich das Korps in das Schloß und vor des Herzogs Speisesaal, und ließ dem Herzoge durch den Hofdiener, der uns empfing, sagen: er solle doch herauskommen und unsere Fahne sehen. Der gute Herzog gab hierauf den Befehl, uns alle in den Saal zu führen. Wir marschierten um die Tafel und stellten uns dann hinter dem Herzoge auf; dieser nahm die Fahne, gab sie den Anwesenden an der Tafel umher und nahm mich auf seinen Schoß, wo ich mit Zuckerwerk von ihm und der Herzogin überfüllt wurde; auch die anderen Helden erhielten Bonbons und sonstiges Naschwerk. Der Herzog entließ uns dann freundlich, und wir riefen: »wir werden bald wiederkommen!« was auch noch öfters geschah.
    Bekanntlich aber währte diese gutmütige Regierung nicht lange; der Herzog litt an einem Fußübel, das unvorsichtigerweise von einem österreichischen Regimentsarzte hinter den Leibärzten des Herzogs geheilt wurde, und ich kann mich noch erinnern, daß, als ich an einem Märzmorgen in der Schule war, ein großer Zusammenlauf und Wehklagen entstand: der Herzog sei vom Pferde, in
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