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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
Autoren: Justinus Kerner
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aufhielt. Die zahlreichen Nachtigallen, die sich in ihr befanden, erfreuten ihn so, daß er sich in einem Hofe, der in dieser Gegend auf einer vom Walde umgebenen Wiese stand, dem
Erbachhofe,
einige Zimmer zum Übernachten einrichten ließ, woraus später ein Jagdschloß und nachher diese Stadt entstand. Sie war zu meines Großvaters Zeit noch ganz in ihrem Werden begriffen und bestand erst aus wenig Häusern und Einwohnern; desto mehr mußte er sich mit ihrer Vergrößerung beschäftigen. Ein herzoglicher Befehl hatte allen Städten und Ämtern des Landes auferlegt, ein Haus auf ihre Kosten in dieser neu erstehenden Stadt erbauen zu lassen. Stadt und Amt
Weinsberg
hatte das Los getroffen, das Oberamtei-Gebäude daselbst bauen zu müssen, – das Haus meiner Wiege. So verlieh mir
Weinsberg
unbewußt den Platz zur Wiege – wie es mir bald den zum Sarge geben wird.
    Meinem Großvater folgte nach seinem Tode in einem sehr jugendlichen Alter mein Vater im Amte. Das Amt eines Oberamtmanns war in damaliger Zeit, wo die Justiz mit der Regierungsverwaltung verbunden war, von einer wichtigeren Bedeutung als jetzt.
    Es lag in den Händen eines solchen eine ziemliche Vollmacht, welche jedoch mein Vater nie mißbrauchte, obschon er in seinem Amte zwar gesetzmäßige Strenge beobachtete, aber durchaus Unparteilichkeit übte und unbestechlich blieb. Er erwarb sich daher auch eine solche Liebe der Bürger Ludwigsburgs, daß diese, als er im Jahre 1795 darauf bestand, das Kloster-Oberamt Maulbronn zu übernehmen, sich in Scharen zum Herzog ins Schloß begaben, um ihn zu bitten, diesen Beamten nicht aus ihren Mauern zu lassen. Mein ältester Bruder Georg schrieb von ihm: »Unvergeßlich bleibt mir sein hohes Bild, voll Kraft und Leben, sein schwarzes Auge voll Feuer, seine Gesichtsbildung, die eines Römers auf dem Kapitol, seine männliche Stimme, würdig von einer solchen Höhe herab zu donnern, sein ganzer Körper derb und gewandt, wenn gleich zuletzt zu einem Übermaße von Stärke sich hinneigend, die keine Lebensdauer verhieß.« – Dennoch war er immer tätig, immer beweglich, er schrieb bei seinen vielen Arbeiten fast gar nichts selbst, sondern diktierte alles, während er im Zimmer umherging, seinem Schreiber in die Feder. Er hatte einen und denselben Schreiber von Anfang seines Amtes bis an seinen Tod. Ein Amtsgenosse schrieb von ihm: »Er war allgemein geachtet als ein sehr rechtlicher, gewissenhafter und äußerst tätiger Mann und Beamter. Alle Morgen mußte aufgeräumt sein, es durfte außer den größern Untersuchungen nichts für den folgenden Tag liegen bleiben. Streng war er übrigens auch, und es konnte geschehen, daß, wenn in einer Ausfertigung in der Amtsschreiberei gefehlt wurde, er den Konzipienten, von dem der Fehler gemacht wurde, kommen ließ, ihn belehrte, ihn zugleich aber auch tüchtig abzankte und mit ein paar Ohrfeigen bedachte.«
    Wie er in seinem Amte Strenge übte, so übte er solche auch in der Führung seines Haushaltes und namentlich in der Erziehung seiner drei ältern Söhne, und es mag daher kommen, daß sein ältester Sohn Georg sich ihm dadurch mehr entfremdete und eine Laufbahn ergriff, die den Gesinnungen des Vaters geradezu entgegen war. Ich glaube, daß der Vater später selbst diese Strenge in der Erziehung seiner Söhne bereute; denn ich, als der jüngst geborene, hatte von ihr vielleicht nur zu wenig zu fühlen; ich wurde sein Liebling, unverdienterweise, aber auch seine große Sorge noch auf seinem Sterbelager.
    Meine Mutter war von kleiner Gestalt, zarter Natur und in ihrer Jugend von nicht gewöhnlicher Schönheit.
Schubart
besang sie in einem Gelegenheitsgedichte bei ihrer Ankunft als Braut in Ludwigsburg:
     
    »Dir winken schon die schlanken Linden
    Im neuen grünen Frühlingskleid;
    Du wirst die Anmut doppelt finden,
    Die jede Linde von sich streut.
    Dir wehet ihr Geruch entgegen,
    Die Nachtigall singt froh dazu,
    Und wirbelt unter grünen Bögen:
    Wie schön bist Du! wie schön bist Du!«
     
    Es waren durch ihr ganzes Leben Demut und Gehorsam gegen ihren Eheherrn, ja selbst Furcht vor ihm, Hauptzüge ihres Charakters. Sein Wille war ihr strenges Gebot, und ihr ganzes Dichten und Trachten ging nur dahin, ihn bei gutem Mute zu erhalten und alles Unangenehme von ihm zu entfernen. So verbarg sie ihm manches, was besonders unter den Söhnen vorfiel, teils seine Strenge fürchtend, teils aus Sorge, ihn zu beunruhigen. Ihre Liebe und Verehrung, ihre hohe Meinung von ihm, hatten
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