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Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition)
Autoren: Kate Racculia
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dessen Atem jetzt ruhiger ging, winkte zurück. Max Morris war ein ganz wunderbarer Freund. Das musste er Max wissen lassen und sich dafür entschuldigen, dass er ihn hintergangen hatte, um ihm zu helfen, Amy hier zu begraben, an diesem Ort, der wohl immer ihr Zuhause gewesen war. Sie würden hoch nach Boston fahren, wo Arthur vielleicht eine Woche bei seinen Eltern und seinem Bruder verbringen wollte, danach hatte Arthur vor, nach Los Angeles zu fliegen, doch nicht, um dort zu bleiben. Nur, um seine Sachen zu packen. Um das Leben dort abzuschließen.
    Und wenn er zurückkehrte, worüber er sich jetzt ganz sicher war, fände er eine Spur aus weißen Zuckerblütenblättern, der er nur zu folgen brauchte, eine gepunktete Linie, die ihm im Dunkeln den Weg nach Hause erhellte.

Acht Jahre danach
     
    Oneida sah Amy als Letzte.
    Sie war dreiundzwanzig und im ersten Jahr Doktorandin der Kunstgeschichte. Sie beabsichtigte, sich auf Konservierung und archivalische Techniken zu spezialisieren – sie hatte ein gutes Erinnerungsvermögen und Organisationstalent, hatte das schon immer gehabt – und war in den vergangenen acht Jahren, in denen Arthur sie gelehrt hatte, die Welt zu betrachten, zu einer visuellen Expertin herangereift. Sie sah Dinge, wie Mona es einmal formuliert hatte, die sich gerade erst dazu entschlossen hatten, gesehen werden zu wollen. »Du bist ein wenig unheimlich, Mädchen, aber ich liebe dich trotzdem.« Und dann hatte Mona sich an Arthur gerichtet, der, die nackten Füße auf dem Küchenfensterbrett, die Zeitung las, und zu ihm gesagt: »Daran bist nur du schuld«, und Arthur entgegnete darauf: »Ich bin nur zur Hälfte schuld.«
    Oneida hatte keine Lust auf den Empfang zu Ehren der Neuzulassungen. Es war ein herrlicher Frühlingstag, wie gemacht dafür, um faul mit einem Buch in der Sonne zu liegen und die zahlreichen Arbeiten zu vergessen, die sie noch zu schreiben hatte. Ihr Zimmergenosse Barry, ein Doktorand im dritten Jahr in Archäologie, in den Oneida sich, wie sie ahnte, unsterblich verlieben würde, überzeugte sie davon, dass es sich immer lohnte, wenn es was umsonst zu essen gab.
    »Aber es ist nicht mal deine Fachrichtung«, sagte sie. »Was kümmert es dich dann?«
    »Darf man denn niemanden mitbringen?« Barry hatte einen spitzen Haaransatz und die nervöse Angewohnheit, an seinem rechten Ohrläppchen zu zupfen. »Bin ich denn nicht wichtig genug, um auch daran teilzunehmen?«
    »Du musst deine Karten richtig ausspielen«, sagte Oneida.
    Professor Howard Rice, ein Spezialist für impressionistische Malerei, der jedoch als aufrichtiges Kind der Sechzigerjahre eine Schwäche für Pop-Art hatte, richtete den Lunch in seinem Museum von einem Haus aus. Oneida schüttelte die Hände von einem Dutzend zugelassener Studenten und gab sich alle Mühe, schmeichelhafte Werbung für die Universität zu machen, was darauf hinauslief, dass sie allen dasselbe sagte: Meine Erfahrung war bis jetzt nur positiv  – eine Herausforderung, ja, aber aufregend , Worte, die gerade noch so wahrheitsgemäß waren, dass sie ihren Würgereiz unter Kontrolle hatte. Die meisten der Zugelassenen waren viel älter, und es war ihnen anzusehen, dass sie Oneida merkwürdig fanden: seltsam und sehr jung. Und doch sahen einige auch sich selbst in ihr. Sie würden nächstes Jahr hierher zum Unterricht kommen, wie Oneida wusste, und das sie auch jedem mitteilte, bevor sie zum nächsten weiterging. »Dann sehen wir uns im Herbst«, sagte sie, worauf sie erstaunt, aber mit einem Lächeln reagierten, weil ihnen gerade klar geworden war, dass sie sie tatsächlich im Herbst sehen würden.
    Nachdem sie eine Stunde einen Blick in die Zukunft geworfen hatte, löste Oneida sich, angeregt vom Weißwein, von der Gruppe, um durch Rices Haus zu wandern. Es war alt und labyrinthisch, und an sämtlichen freien Wänden hing ein Gobelin oder ein Gemälde oder ein antiker Spiegel. Und im Flur, der von der Hauptdiele in die Bibliothek führte, sah Oneida ihre Mutter.
    Sie traute ihr Augen kaum und trat näher heran. Jawohl. Es war Amy , genauso wie beim ersten Mal, als Oneida sie gesehen hatte: ein gesichtsloses Geheimnis, das nackt an einem Strand lag und dessen Haar mit dem Meer und dem All verschmolz.
    Howard Rice, der aus der Bibliothek kam, blieb neben ihr stehen und beugte sich ebenfalls darüber.
    »Sie haben ein gutes Auge«, sagte er. »Das ist ein außergewöhnliches Werk.«
    Oneida hatte bis jetzt noch keinen Kurs bei Rice belegt
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