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Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition)
Autoren: Kate Racculia
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einander auf.
    »Du magst sie wohl nicht besonders?«, fragte Andrew Lu. Er stand neben ihr auf der Veranda und schaute wie sie Dani Drake hinterher, die auf ihrem Fahrrad über die ungepflasterte Kieseinfahrt holperte. Seine plötzliche Nähe machte sie nervös und sie nickte nur, weil sie ihrer Stimme nicht traute. Sie wollte sich wohlfühlen in seiner Gegenwart. Er zog seine Nase kraus und lehnte sich an sie – da er kaum größer war als sie, hatte dies den Effekt, dass Andrew Lu seine Hüfte an ihre heftete, als wären sie Teilnehmer an einem Dreibein-Rennen – und murmelte verschwörerisch: »Dann sind wir schon zu zweit.« Mit einem Satz sprang er von der Veranda und stieg auf sein schmutziges Fahrrad. Er winkte sogar, als er in die Pedale trat.
    Oneida war sich unsicher, ob das tatsächlich passiert war. Einen Herzschlag zu spät hob sie ihren Arm, um sein Winken zu erwidern, und winkte Andrew Lus davonfahrender Rückseite hinterher. Doch sie kostete das Gefühl seiner Wärme aus, das sie beim Anlehnen genauso verspürt hatte, wie seinen kräftigen Körper. Oneida Jones gehörte nicht zu den Mädchen, denen es leichtfiel, andere Leute zu berühren, und sie nahm es auch nicht leicht, wenn jemand sie berührte, egal wie flüchtig die Geste auch sein mochte. Nicht, dass sie nicht berührt werden wollte, sie traute dem einfach nicht oder traute es sich selbst nicht zu, es richtig zu interpretieren.
    Sie steckte sich eine Locke hinters Ohr und kaute erst an ihrem rechten Daumennagel, dann an ihrem linken. War nun tatsächlich eingetroffen, was sie sich so sehr gewünscht hatte? Hatte Andrew in ihr die Seelenverwandte erkannt? In den Bäumen raschelte der Wind und zeigte die blasse Unterseite ihrer Blätter. Ihre Mutter sagte immer, wenn sich die Blätter umdrehen, deutet das auf ein heraufziehendes Unwetter hin. Es war Ende September, fühlte sich aber noch immer an wie August: feucht und grau, die Luft schwer und bang.
    Ein dumpfer Schlag hinter ihr weckte ihre Aufmerksamkeit. Wendy befand sich noch immer in ihrer Küche, wo er Schranktüren öffnete und schloss.
    »Was machst du da?«, fragte sie ihn, und auf ihren Armen stellten sich die Härchen auf. Sie hatte angeboten, die erste Sitzung hier bei sich abzuhalten, da sich sonst keiner gemeldet hatte und weil im Darby-Jones, wie es seiner Natur als Gästehaus entsprach, die Tür immer offen stand. Aber als sie Wendy jetzt die Töpfe und Pfannen ihrer Mutter durchforsten sah, sträubte sich alles in ihr gegen diese Zudringlichkeit, und ihr Körper verspannte sich.
    Er schüttelte seine Limodose, in der die letzten Tropfen leise sprudelten. »Ich wollte die nur recyceln«, sagte er. Dabei drückte er die leere Dose zwischen seinen Handflächen zusammen und warf sie in die Spüle. Es folgte ein helles metallisches Scheppern, worauf Oneida mit Stirnrunzeln reagierte, weil sie an das von ihrer Mutter geliebte alte Porzellanwaschbecken denken musste.
    Wendy kam direkt auf sie zu und sah ihr forschend ins Gesicht. Ohne zu blinzeln. Er war keinen Schritt von ihr entfernt. Ihr einziger Gedanke war der, einfach ganz, ganz ruhig stehen zu bleiben.
    »Und«, sagte sie, nachdem sie sich etwas gefangen hatte. »Suchst du was Bestimmtes?«
    Wendy sagte nichts. Er starrte sie an. Blinzelte noch immer nicht. Aus der Nähe war seine Narbe hypnotisierend, eine gewundene Ranke aus Weiß und Rosa, die unterhalb seiner Schläfe einen Halbkreis ausschnitt, sodass seine Augenbraue wie die Zeile eines Morsecodes aussah: ein Strich und ein Punkt. Oneida starrte die Narbe zu lange an – so lang, dass Wendy es merkte.
    »Ich habe überlegt«, sagte er.
    Wendy warf ihr einen Löffel zu. Oneida zuckte heftig zusammen.
    »Hey«, sagte sie. Ihr Mund schien ausgetrocknet zu sein. Sie hustete. »Hey, was machst du mit …«
    »Was steht auf der Rückseite dieses Löffels?«, fragte er. »Kannst du mir das vorlesen?«
    Sie biss die Zähne zusammen. »Da steht Oneida«, sagte sie. »Und jetzt?«
    »Dann bist du also nach einem Löffel benannt.« Und er grinste, ein breites Wolfsgrinsen, das ihr einen Schauer über den Rücken jagte.
    »Ich werde mit dir nicht darüber diskutieren«, sagte sie. »Ich sage dir dazu nur so viel, dass sowohl der Löffel als auch ich nach demselben geografischen Ort und einem Stamm amerikanischer Ureinwohner benannt sind.«
    »Oh – oh, verstehe. Wie lautet Ihr indianischer Name, Häuptling Roter Löffel?«
    »He!«, rief sie, aber Wendy lachte nur.
    »Schreit
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