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Bilder bluten nicht

Bilder bluten nicht

Titel: Bilder bluten nicht
Autoren: Léo Malet
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Lheureux. Sie haben mich diesmal nicht angerufen.“
    Ich lächelte. Er lächelte zurück.
    „Hören Sie, was macht das schon, Sie haben mich ja gefunden!“
    Er reichte mir die Karte:
    „Austern, Zwiebelsuppe oder Chateaubriand?“
    „Chateaubriand.“
    „Zweimal, bitte“, sagte Lheureux zu dem Kellner, der auf die Bestellung wartete und dabei auf seinen Plattfüßen wippte.
    Der Kellner verschwand. Lheureux wandte sich wieder mir zu und bemerkte:
    „Sie nehmen ihre Aufgabe ernst, was?“
    „Muß ich wohl...“
    Ich machte eine kurze Pause.
    „...Ihre Frau hat anscheinend Ihre Ausflüge so langsam satt, mein Lieber.“
    Er machte eine verächtliche Geste:
    „Soll Sie ruhig...“
    Die Chateaubriands kamen, und wir machten uns darüber her.
    Ich sagte:
    „Das könnte dramatisch enden.“
    Er ließ sich viel Zeit, sein Stück Fleisch zu kauen und runterzuschlucken.
    „Aber nein, aber nein,“ widersprach er, „ich kenne Emilie... Und dann werde ich bald nach Hause zurückkommen, diesmal. Morgen. Spätestens übermorgen. Es sei denn, nach den Postangestellten streiken die Eisenbahner... Wollen wir nicht von etwas anderem sprechen?“
    Wir sprachen von etwas anderem, zwischen zwei Bissen. Und während ich kaute, betrachtete ich Lheureux, und ich dachte, daß er ein komischer Kerl sei, und Madame Lheureux eine komische Frau, und die Ehe von den Lheureux eine komische Ehe, und Nestor Burma ein komischer Detektiv, der keinerlei Gewissensbisse empfand, sich unter anderem seinen Tabak von Kunden dieser Sorte bezahlen zu lassen, die an seine Gegenleistung keine übertrieben hohen Ansprüche stellten; Leute, von denen es mehr geben müßte, wie Gaby sagte. Ganz ruhige Arbeit. Stammkunden. Die einem gewissermaßen den Lebensunterhalt sichern; die einen ernähren...
     
    ***
     
    Es hatte 1952 begonnen. An einem schönen Maimorgen erhielt ich einen Brief von einer gewissen Madame Emilie Lheureux aus Limoges. Diese gute Frau schrieb mir, daß sie meinen Namen in der Zeitung und meine Adresse im Telefonbuch gefunden habe. Sie entschuldigte sich dafür, mich mit einer so kleinen, von meinen gewohnten Fällen weit entfernten Sache zu belästigen, aber wenn ich so freundlich sein wolle... Sie war davon überzeugt, daß ich schnell damit fertig würde. Kurz und gut, sie teilte mir mit, daß ihr Mann soeben von zu Hause abgehauen sei. Er müsse in Paris sein. Soll sich ruhig eine schöne Zeit machen, nichts dagegen - das Leben in der Provinz sei nicht immer aufregend, und Frühling sei Frühling, vor allem für einen Mann in den Fünfzigern (sie war sehr verständnisvoll, diese Madame Lheureux, und liebte ihren Mann wohl sehr) -, aber der Spaß solle nicht ewig dauern. Es sei eine Frage der Würde. Für sie. Wenn ich nun ihren Mann finden und ihn wieder in den Zug nach Limoges setzen könne... Sie fügte noch einige Einzelheiten hinzu, mit denen ich nicht viel anfangen konnte, legte ihrem Brief ein Foto des Flüchtlings bei, das mir schon mehr nützte, und einen anständigen Scheck, von dem ich sofort Gebrauch machte.
    Ich fand meinen Mann ziemlich schnell, dank einem Kollegen meines Freundes, des Kommissars Florimond Faroux, einem Flic der Abteilung für Stundenhotels, den ich um Hilfe gebeten hatte. Als ich den Provinzler auf seiner Sauftour ausfindig gemacht hatte, versuchte ich, mit ihm bekanntzuwerden; es gelang mir, wir schlossen uns mehr oder weniger zusammen, und ich nutzte den Augenblick aus, als er mir, betrunken wie er war, wenig entgegenzusetzen hatte, um ihm eine Moralpredigt zu halten und ihn zur Rückkehr an den häuslichen Herd zu bewegen. Ein Mann, dessen Sohn ich hätte sein können! Diese ergreifende Szene spielte sich bei den Hallen ab, in dem bekannten Lokal von Père-Tranquille. Die Umgebung paßte dazu. Da ich Lheureux weder meinen Beruf noch meinen Auftrag verschwiegen hatte, lachte er laut heraus. Ein Detektiv! Also wirklich, Emilie las zuviele Kriminalromane. Ja, wirklich komisch. Komisch oder nicht, er war vernünftiger, als ich angenommen hatte, und bald darauf erhielt ich einen weiteren Brief von Madame Lheureux, einen Dankesbrief.
    Monate vergingen. Mai 1953. Ich hatte meinen albernen Lebemann (seine Zechtouren waren eher harmlos) schon völlig vergessen, als er selbst sich am Telefon meldete. Er witzelte:
    „Hallo! Nestor Burma? Ich hau wieder auf die Pauke, mein lieber Detektiv. Hat meine Frau Ihnen das noch nicht gemeldet?“
    „Noch nicht.“
    „Das kann nicht mehr lange dauern. Hören
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