Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos
Autoren: Sabine Thiesler
Vom Netzwerk:
Raffael. Ein Engel, einer der drei Erzengel. Dunkel erinnerte sie sich, dass der Name »Gott heilt« oder »der Heiler« bedeutete. Der Name gefiel ihr.
    »Hier, mein Ausweis.« Er zog die Plastikkarte aus seiner Hosentasche und gab sie ihr.
    Lilo sah hin, konnte aber ohne Brille nichts entziffern, und gab sie ihm wieder zurück.
    »Danke. Kommen Sie bitte, ich zeige Ihnen das Zimmer.«
    Es war die letzte Tür am Ende des langen Flurs.
    Lilo öffnete und ließ ihn eintreten.
    Raffael ging nur drei Schritte in den Raum hinein und sah sich um. Nach wenigen Sekunden sagte er:
    »Es gefällt mir. Ich würde es gern mieten. Wie viel kostet es?«
    »Aber Sie haben es sich ja noch gar nicht richtig angesehen! Heute scheint zwar nicht die Sonne, aber Sie merken ja, dass es dennoch sehr hell ist. Und es ist eigentlich auch ganz ruhig. Finden Sie nicht? Ich meine ja nur … Die Schränke habe ich ausgeräumt, da haben Sie genug Platz für Ihre Sachen.«
    »Ich hab kaum was, das passt schon«, murmelte Raffael.
    Lilo hatte seinen Einwurf gar nicht registriert.
    »Es sind sehr alte Möbel. Teilweise noch von meinen Eltern. Das ist sicher nicht Ihr Geschmack. Also, wenn Sie wollen, können wir auch ein paar rausräumen, und Sie stellen sich etwas Moderneres rein.«
    Raffael ging zu Lilo und baute sich vor ihr auf, was sie noch mehr verunsicherte.
    »Hören Sie, Frau …? Wie heißen Sie noch mal?«
    »Berthold. Lilo Berthold.«
    »Okay, Frau Berthold. Also: Das Zimmer gefällt mir. So wie es ist. Ich finde es klasse, und ich habe nicht die geringste Lust, irgendein lustiges Möbelrücken zu veranstalten. Außerdem besitze ich gar keine Möbel. Nein, ich finde die Sachen toll! Sie haben was. Das Zimmer ist ein Traum! Sie brauchen es mir nicht noch anzupreisen. Ich glaube, ich werde hier meine Ruhe haben. Und mehr will ich gar nicht. Also noch mal: Was kostet es?«
    »Dreihundertfünfzig.«
    »Gut. Wann kann ich einziehen?«
    »Sofort, wenn Sie möchten.«
    Ein Lächeln zog über Raffaels Gesicht. »Das ist fantastisch. Zeigen Sie mir noch das Bad?«
    Lilo zeigte ihm Bad und Küche.
    »Wir sind ja nur zwei Personen. Ich denke, wir werden uns einigen.«
    »Das denke ich auch.«
    Während er ein paar Schränke in der Küche öffnete und Schubladen aufzog, beobachtete Lilo ihn. Was ist das für ein Mensch?, überlegte sie. Einer, der einen schlecht sitzenden, schwarzen Anzug anzieht, nur um bei mir Eindruck zu schinden? Wahrscheinlich braucht er das Zimmer dringend.
    »Frau Berthold, bekomme ich das Zimmer?«, fragte er schließlich. »Ich würde mich riesig freuen.«
    »Ja, natürlich.«
    Raffael schüttelte ihr die Hand.
    »Wenn Sie wüssten, wie glücklich ich bin. Und wenn es Ihnen nichts ausmacht, dann ziehe ich am Samstag ein.«
    Er atmete tief durch, strahlte sie noch einmal an und verließ dann mit zügigen Schritten die Wohnung.
    In zwei Tagen hatte sie einen Untermieter, aus dem sie noch nicht ganz schlau wurde. Aber sie war neugierig auf ihn und freute sich darauf, in ihrer riesigen Wohnung nicht mehr allein zu sein.
    Sie hatte den halben Samstag am Fenster gesessen und darauf gewartet, dass ein Möbelwagen, wenn auch ein kleiner, vor ihrer Haustür hielt.
    Als den ganzen Vormittag nichts passierte, ging sie allmählich davon aus, dass er es sich anders überlegt hatte. Alles war nur so dahingesagt worden, es ging ja auch so schnell, wahrscheinlich hatte er sie und ihre Wohnung schon längst wieder vergessen. Man durfte eben nicht alles glauben.
    Aber am Nachmittag um halb vier fuhr ein Taxi vor, und Raffael stieg aus. Mit zwei Koffern und einer Umhängetasche aus Stoff. Eine, die man in manchen Geschäften als Werbegeschenk bekommt.
    Das war alles.
    Lilo wäre in der Lage gewesen, mit diesem Gepäck drei Wochen Urlaub zu machen, aber nicht in eine neue Wohnung zu ziehen.
    Sie öffnete ihm die Tür und wartete ab.
    Er stellte die beiden Koffer in sein Zimmer, kam wieder heraus und rieb sich die Hände.
    »’tschuldigung, Frau Berthold«, sagte er, »aber ich hab das jetzt alles nicht mehr so genau im Kopf. Wie war das? Wir benutzen die Küche gemeinsam?«
    »Aber sicher. Die oberen drei Fächer des Kühlschranks sind für Sie, die unteren drei für mich. Wer gekocht hat, wäscht das Geschirr, das er benutzt hat, ab und stellt es weg. So einfach ist das. Im Grunde dürfte es keine Probleme geben. Wenn ich Sie zum Essen einlade, mache ich die Küche sauber. Ist doch klar.«
    »Und umgekehrt genauso«, meinte Raffael und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher