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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt
Autoren: Joy Fielding
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zu bleiben und nicht laut zu werden. »Meinst du, es hat ihr geholfen, zur Vernehmung auf die Wache gezerrt zu werden? Und herauszufinden, dass du mit ihrem Mann geschlafen hast?«
    »Und wessen Schuld war es, dass sie es herausgefunden hat?«, fragte Tom und kniff vorwurfsvoll die Augen zusammen.
    »Was mit Faith geschehen ist, tut mir wirklich sehr Leid«, sagte Julia. »Aber sie war von Anfang an ein Fall für die Klapse. Du kannst mir nicht die Schuld dafür geben, was sie getan hat. Wir hatten keine Ahnung, dass sie so etwas abziehen würde.«
    »Ihr hattet keine Ahnung, dass sie so etwas abziehen würde ?«, wiederholte Cindy ungläubig.
    »Könntest du bitte ein bisschen leiser reden«, ermahnte Tom sie.

    »Könntest du mich bitte am Arsch lecken«, gab Cindy zurück.
    »Ich hab ja gleich gesagt, dass es ein Fehler ist, hierher zu kommen«, sagte der Keks und warf resigniert die Hände in die Luft.
    »Dir ist nicht der Gedanke gekommen, dass deine Handlungen Konsequenzen haben könnten?«, fragte Cindy ihre Tochter. »Dir ist nie der Gedanke gekommen, dass nicht alles so läuft, wie man es plant? Dass die Dinge, die wir in Bewegung setzen, dazu neigen, außer Kontrolle zu geraten?«
    »Ich wollte einfach berühmt sein«, erwiderte Julia ruhig, als ob dadurch alles verständlich und gut werden würde.
    »Das heißt, der Zweck heiligt die Mittel?« Cindy starrte ihre Tochter an. Noch kurz zuvor hätte sie ihr Leben dafür gegeben, sie bloß in den Armen zu halten. Doch in diesem Augenblick erkannte sie, dass Julia immer die Tochter ihres Vaters gewesen war.
    (Rückblende: Die vier Jahre alte Julia geht, ihre Shirley-Temple-Locken zu zwei geflochtenen Zöpfen gebändigt, die Hand ihres Vaters fest umklammert, mit ihm gemeinsam die Straße hinunter; die achtjährige Julia sitzt stolz auf dem glänzenden roten Fahrrad, das ihr Vater ihr zum Geburtstag geschenkt hat; die dreizehnjährige Julia posiert in einem schicken, braun-blau gestreiften Taftkleid neben ihrem Vater, der in seinem Smoking enorm attraktiv aussieht, bevor sie gemeinsam zum alljährlichen Vater-Tochter-Dinnerball in Havergal aufbrechen; Julia im folgenden Jahr, die ihre Sachen in den neuen, von ihrem Vater gekauften Louis-Vuitton-Koffer packt und ihn zu seinem vor dem Haus wartenden BMW trägt, um ihre Kindheit – und ihre Mutter – zurückzulassen.)
    »Und was passiert jetzt?«, fragte Cindy, nachdem ihre Energie verraucht war. »Was genau wollt ihr den Leuten erzählen? Dass Julia unter Gedächtnisschwund gelitten hat?«
    »Ganz einfach«, sagte Tom. »Wir erzählen ihnen, dass Julia deprimiert war, weil sie dachte, sie hätte das Casting vermasselt.
Also ist sie ein paar Wochen über Land gewandert, um den Kopf freizubekommen. Bis heute hat sie nicht einmal einen Blick in die Zeitung geworfen …«
    »Das kauft euch die Polizei nie ab.«
    »Ist das dein Ernst? Es war doch deren Idee«, erinnerte Tom sie.
    »Und ich soll bei dieser Posse einfach mitspielen?«
    »Hast du eine andere Wahl?«
    Hatte sie die?
    »Ich könnte die Wahrheit sagen.«
    »Das könntest du, ja«, stimmte Tom ihr zu. »Aber dann würde Julia aller Wahrscheinlichkeit nach verhaftet und eine viel versprechende Karriere im Ansatz erstickt werden. Außerdem würde ich meine Zulassung verlieren. Willst du das wirklich?« Tom machte eine Pause, damit seine Worte ihre Wirkung entfalten konnten. »Sieh mal, Cindy. Du bist jetzt verletzt und wütend, und das ist auch vollkommen verständlich. Du bist in den letzten Wochen durch die Hölle gegangen. Keiner weiß das besser als ich. Aber ich bitte dich dringend, alles zu durchdenken und die Interessen unserer Tochter im Blick zu behalten.«
    »Die Interessen unserer Tochter«, wiederholte Cindy murmelnd.
    »Bitte, Mom. Ich stehe so kurz davor, alles zu bekommen, was ich mir immer gewünscht habe.«
    »Du kannst deine Tochter doch nicht wirklich ins Gefängnis schicken wollen«, sagte der Keks.
    »Ich dachte, du wolltest nur, dass Julia nach Hause kommt«, erinnerte Tom Cindy.
    Man hörte ein Geräusch im Flur, und im nächsten Moment kam Elvis ins Zimmer gestürmt.
    »Elvis!« Julia sank auf die Knie und drückte den Hund an ihre Brust. »Wie geht’s dir, mein Junge?«
    In der Küchentür tauchte Heather auf. »Ich habe Stimmen gehört«, sagte sie und verstummte, als sie ihre Schwester sah.

    »Was ist denn da los?«, fragte Norma Appleton vom oberen Treppenabsatz.
    »Julia ist wieder zu Hause«, rief Heather zurück.
    »Julia?!
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