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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt
Autoren: Joy Fielding
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Hause fahren? Es ist fast Mitternacht. Dein Sohn …«
    »Ein bisschen kann ich noch bleiben.«
    Das Telefon klingelte. Alle blickten auf. Keiner machte Anstalten abzunehmen.
    »Soll ich rangehen?«, fragte Meg.

    Cindy schüttelte den Kopf. »Das kann der Anrufbeantworter erledigen.«
    Nach viermaligem Klingeln verstummte das Telefon wieder, um zwei Minuten später erneut zu klingeln. Und zwei Minuten später noch einmal.
    »Das ist aber ein hartnäckiger kleiner Teufel«, sagte Trish.
    »Vielleicht ist es wichtig«, fügte Leigh hinzu.
    »Ist es nicht.« Wie viele Anrufe von Spinnern hatte sie heute bekommen? Bei all den Verrückten und Reportern hatte das Telefon beinahe ununterbrochen geklingelt, obwohl seit Stunden nur noch der Anrufbeantworter lief. Irgendwann waren das ständige Klingeln, das Klopfen der Kameraleute mit ihrer Ausrüstung an die Fenster und das Kläffen des Hundes, jedes Mal, wenn jemand vor der Tür stand, so störend geworden, dass Cindy kurz überlegt hatte, mit Neil Zuflucht in einem Hotel zu suchen. Aber sie wusste, dass ihre Mutter und ihre Schwester darauf bestanden hätten mitzukommen, genau wie Heather, Trish und Meg, und mit dem Gedanken, dass sie sich alle miteinander in einem kleinen Hotelzimmer drängelten, hatte sich die Idee auch gleich wieder erledigt.
    Cindy stand auf und schlurfte in die Küche, wo sie den Anrufbeantworter auf neue Nachrichten überprüfte. »Nichts«, informierte sie die neugierigen Gesichter bei ihrer Rückkehr. »Wer immer es war, er hat keine Nachricht hinterlassen.«
    »Beim nächsten Mal gehe ich ran«, sagte ihre Mutter.
    »Warum gehst du nicht einfach nach oben ins Bett«, schlug Neil vor.
    »Ich glaube nicht, dass ich schlafen könnte. Jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, sehe ich …« Selbst wenn ich sie nicht schließe, dachte sie, während sich Faith vor ihrem inneren Auge erneut vor den einfahrenden Zug stürzte. Cindy hörte das hilflose Kreischen der Bremsen, den widerwärtigen Aufprall des Körpers auf Metall, sah den Fetzen babyblauen Stoffs, der an den pechschwarzen U-Bahn-Gleisen klebte, Faiths Blut
auf dem Fenster des Führerhäuschens wie Schlamm, der sich in das Glas ätzte, wie saurer Regen, der sich in ihre Seele brannte.
    »Vielleicht habe ich noch ein paar von den Tabletten übrig«, flüsterte Neil leise.
    »Wirklich? Welche denn?«, fragte Leigh. »Ich habe seit Monaten nicht mehr richtig geschlafen.«
    »Hast du irgendwas von Detective Bartolli gehört?«, fragte Trish.
    Cindy verzog das Gesicht, als sie daran dachte, wie wütend die Detectives Bartolli und Gill gewesen waren, als sie von Faiths Selbstmord gehört und erfahren hatten, dass Cindy am Ort des Geschehens gewesen war. Detective Bartolli war sogar so weit gegangen, ihr mit Festnahme zu drohen, falls es weitere Zwischenfälle geben sollte. »Hört mal, Leute, ihr müsst nicht bleiben. Wirklich nicht.«
    »Möchtest du, dass wir gehen?«, fragte Meg.
    »Nein«, gab Cindy zu. »Ich möchte, dass ihr für immer bleibt.«
    »Okay«, sagten alle, und Cindy lächelte.
    Sie saßen noch eine Stunde plaudernd beieinander, umarmten sich und seufzten gemeinsam, bis Norma Appleton verkündete, dass ihr die Augen zufielen, und sie mit Leigh nach oben ging, genau wie zehn Minuten später Heather. Kurz darauf verabschiedeten sich auch Meg und Trish widerwillig und versprachen beide, gleich am nächsten Morgen anzurufen.
    »Jetzt bist du dran«, sagte Cindy zu Neil, als sie an der offenen Haustür standen.
    »Bist du sicher?«
    »Nur wenn du versprichst, morgen wiederzukommen.«
    »Wie wär’s zum Frühstück? Ich bringe Bagels mit.«
    »Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, liebt meine Familie deine Bagels.«
    Neil lächelte. »Vielleicht bringe ich Max mit. Er mag auch gern Bagels.«

    »Das fände ich schön.«
    Neil beugte sich vor und küsste Cindy zärtlich auf den Mund. »Bis morgen früh dann.«
    Cindy sah ihm nach, bis sein Wagen verschwunden war, bevor sie sich ins Haus zurückzog. Sie wollte gerade die Tür schließen, als sie stutzte, wieder hinaustrat und durch die Dunkelheit zu einer Reihe von Autos blickte, die am anderen Ende der Straße parkten. Wie lange waren sie schon dort geparkt? Und waren sie leer, oder saß jemand darin? Cindy versuchte blinzelnd, Umrisse in dem Schatten auszumachen. Noch mehr Reporter?, fragte sie sich. Oder die Polizei?
    Wahrscheinlich niemand.
    Doch als Cindy die Haustür abschloss und nach oben ins Bett ging, versuchte sie das
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