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Beutewelt 02 - Aufstand in der Ferne

Beutewelt 02 - Aufstand in der Ferne

Titel: Beutewelt 02 - Aufstand in der Ferne
Autoren: Alexander Merow
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kehrte in seinen Träumen zurück, begleitet von der computeranimierten Frauenstimme aus dem Lautsprecher. Manchmal träumte er, dass man ihn in ein weiß erleuchtetes Loch ohne Boden hinabgestoßen hatte. Der Sturz dauerte ewig und er raste immer schneller nach unten, doch den ersehnten Boden erreichte er nie. Sein ermordeter Vater und seine tote Schwester schienen ihm Botschaften von der anderen Seite zu schicken. Sie sprachen mit ihm in den tiefen Stunden der Winternächte über Nico und baten ihn, nach ihm zu sehen.
    Manchmal tauchte der kleine Junge auch selbst auf und erzählte ihm, dass sie ihm das Herz herausoperiert hatten. Dann hielt er den blutigen Muskel in seiner Hand und sagte: „Wenn du mir nicht glaubst, Onkel Frank. Hier, ich zeige dir alles!“
    Diese Visionen waren eine Qual und Kohlhaas hatte irgendwie das Gefühl, dass es niemanden gab, dem er davon berichten konnte. Bäumer war für solche Themen, obwohl er ein guter Freund geworden war, wirklich nicht der richtige, einfühlsame Gesprächspartner. Seine Mutter wäre es gewesen, doch sie hatte diese Welt schon lange verlassen und an ihre sanfte Stimme konnte sich Frank kaum noch erinnern.
    Wenn er des Nachts wach wurde und sich hilfesuchend in seinem unbeleuchteten Schlafzimmer umsah, verfluchte er die Verursacher seiner mentalen Horrorvisionen. Manchmal dachte er daran, in der Erziehungsanstalt anzurufen, in der sich sein Neffe Nico vermutlich noch befand, doch so etwas war mit einem hohen Risiko verbunden. Was sollte er den Betreuern sagen, wo er doch als Frank Kohlhaas offiziell als „flüchtiger Mörder“ galt?
    Nur Angehörigen waren überhaupt Nachfragen erlaubt, die meistens ohnehin nicht glaubhaft beantwortet wurden. Nico hatte aber keine Angehörigen mehr, seine Mutter war tot und seinen Onkel durfte es sozusagen nicht mehr geben.
    Thorsten Wilden, das oft väterlich wirkende Oberhaupt von Ivas, den Frank mittlerweile als Mentor und Gesprächspartner wirklich schätzen gelernt hatte, kam vermutlich auch nicht dafür in Frage, über psychische Probleme und Ängste zu reden. Dafür war er dann doch zu sachlich.
    Mit seiner Tochter verstand sich der junge Mann ohne Zweifel in der letzten Zeit immer besser, aber über solche unangenehmen Themen wollte er mit ihr auf keinen Fall sprechen. Sie hielt ihn für einen zwar verschrobenen, aber sicherlich eisenharten Burschen und so wollte es Frank auch haben. Die dunklen Flecke seiner Seele verbarg er sorgsam vor ihrer Aufmerksamkeit und schämte sich innerlich nicht selten dafür.
    Bäumer hatte ihn heute auf seine Schreie in der Nacht angesprochen, doch Frank druckste nur herum und erzählte etwas von allgemeinen Schlafstörungen, die er nun einmal vor allem in den dunklen Wintermonaten hatte. Er betonte ihm gegenüber aber, dass es nichts Ernstes sei.

    Den ganzen Winter über gab es einige Frost- und Sturmschäden im Dorf zu reparieren und das tägliche Schneeschippen hielt die beiden Männer auf Trab. Zudem vertrieb sich Frank die Stunden mit dem intensiven Studium der russischen Sprache, mit eifriger Unterstützung von Wilden. Sein Mitbewohner hatte es allerdings scheinbar aufgegeben oder erst einmal vertagt. Manchmal war er genervt, wenn Frank mit seinen neuen Sprachkenntnissen beim Abendbrot prahlte.
    Nach einem langweiligen und recht einsamen Weihnachtsfest feierten einige der Dorfbewohner bei Familie Wilden den Jahreswechsel. Dafür hatte der ehemalige Unternehmer eine ganze Armada von Spirituosen aus Russland her bringen lassen. Das Fest war rundum schön. Frank Kohlhaas und Alfred Bäumer ließen sich so richtig voll laufen und gingen in den frühen Morgenstunden, bevor sie sich noch daneben benahmen. Julia Wilden hatte sich ein paar anzüglich Bemerkungen von Frank gefallen lassen müssen, als dieser anständig beschwipst gewesen war. Sie hatte recht zickig reagiert und den ganzen Abend nicht mehr mit ihm geredet.
    „Meinst du die Kleine ist noch sauer?“, lallte Frank auf dem Nachhauseweg und legte seinen Arm auf Alfs Schulter.
    „Keine Ahnung. Wer versteht schon diese Weiber?“, sagte Bäumer und schwankte voraus.
    „Ich habe doch nur … Habe doch nur gesagt, dass sie ein süßes Blondchen ist, he, he!“, brachte der junge Mann heraus und wäre fast über einen Schneehaufen gestolpert.
    „Da haste Recht! Hast Recht, Alter!“, erwiderte Alf.
    „Wieso war die dann so komisch?“, wollte sein Freund wissen.
    „Ach!“, blökte Bäumer angetrunken. „Die is’ doch immer
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