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Betula Pendula: Erster Zyklus: Frühling (German Edition)

Betula Pendula: Erster Zyklus: Frühling (German Edition)

Titel: Betula Pendula: Erster Zyklus: Frühling (German Edition)
Autoren: Sarah Kassem
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Käsepüree, am besten schmeckte. Er fand auch die Granatapfelkerne ganz toll, und er durfte alle alleine aufessen.
    Aus der großen Fleischplatte suchte sich Viktor ein Lammspieß aus und wartete, bis sein Vater ihm das Fleisch vom Stöckchen schnitt.
    Viktor kaute langsam und schaute sich seine Eltern an.
    Sein Vater hatte einen Anzug an, wie er ihn immer auf der Arbeit anhatte, und eine Krawatte. Aber heute sah der Anzug neu aus und die blaugestreifte Krawatte glänzte, als ob die Seide lebendig war. Er sah, dass sein Vater bestimmt bei Samuel gewesen war, denn seine Haare waren etwas kürzer und sehr adrett geschnitten. Sein Vater nahm gerade einen Schluck aus seinem Glas und sagte etwas zu seiner Mutter und beide lachten. Viktor schaute zu seiner Mutter, die völlig entspannt da saß und etwas kaute, ihre Augen leuchteten und ihre Wimpern waren sehr dunkel und sehr lang. Viktor wusste, dass es Wimperntusche war, und dass Frauen das drauftaten, wenn sie hübsch sein wollten. Ihre Lippen hatten einen leichten rosa Schimmer, und das Licht tanzte auf ihnen und ließ sie funkeln.
    Viktor dachte nach und fand es sehr toll , mit seinen Eltern dazusitzen und zu essen, während beide lachten und sich freuten. Das machte ihn glücklich.
    Er bekam einen Nachtisch, ein en Joghurt mit Honig und Nüssen, und während er ihn löffelte, dachte er daran, dass das Cristobal bestimmt schmecken würde. Er verschüttete etwas davon auf seinen Anzug, und dann ging sein Vater mit ihm in die Herrentoilette und wischte ihm mit einem feuchten Handtuch den Fleck weg.
    Im Kino saß Viktor zwischen seinem Vater und seiner Mutter und schaute sich „Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft“ zum dritten Mal an. Zweimal war er schon mit Oded, Gem und Hala in dem Film gewesen, aber es machte ihm nichts aus, er fand den Film großartig.
    Er sah zu, wie Amy, Nick, Ronald und Russel als winzige kleine Minimenschen durch den Garten liefen, von Ameisen attackiert wurden und einen riesigen Keks aßen. Sein Vater hatte gesagt, dass er den Film auch schon gesehen hatte, als er jünger war. Der Film lief seit 20 Jahren fast jede Woche im Kino von Hedera Helix.
    Nachdem der Film zu Ende und es schon fast 21 Uhr war, fuhren sie nach Hause.
    Als sie die Treppen hochgingen, fragte Viktor: „Wirst du morgen früh wieder hier frühstücken?“
    Sein Vater schaute ihn an und sagte: „Wenn du möchtest, ja.“
    Viktor nickte. „Ja, das möchte ich.“
    Sein Vater hob ihn auf, beugte sich herunter , als sie durch den Türrahmen gingen und setzte ihn in seinem Zimmer ab.
    „Gute Nacht, Viktor. Schlaf gut“, sagte Immanuel Abies.
    Viktor umarmte das Bein seines Vaters, vergrub das Gesicht in die Hose und drückte fest zu. „Gute Nacht, Papa.“
    „Hab dich lieb, Viktor.“
    Vikt or küsste seinen Vater und flüsterte: „Ich auch.“
    Als Viktor sich gerade auszog, hörte er ein seltsames , unterdrücktes Geräusch von draußen und einen wütenden, langgezogenen Eulenruf. Ein paar weitere Vögel stimmten mit ein. Es hörte sich nicht wie das normale Zwitschern an.
    Hektischer. Angsterfüllter.
    Zuerst dachte Viktor, dass Cristobal wieder aufgetaucht wäre, aber es klopfte nicht ans Fenster, und der Lärm draußen wurde stärker.
    Er ging zum Fenster und zog den Vorhang vorsichtig zur Seite.
    Auf seinem Fensterbrett lagen d rei Elstern, im Schein der Lampe erkannte er, dass sie in einer dunklen Lache lagen und komisch verrenkte Genicke hatten.
    In dem Moment hörte er die Stimme seiner Mutter, die kreischte: „ Immanuel! Immanuel! “
    Etwas fiel um und zerschmetterte, es hörte sich wie etwas Großes und Schweres an.
    Dann hörte er seinen Vater schreien, keinen normalen Schrei, sondern ein schreckliches Brüllen, das durchs Haus hallte und kein Ende zu nehmen schien.
    Viktor lief zu seiner Tür, riss sie auf, lief durch den Flur und riss die Schlafzimmertür auf.
    Eine Wandseite war von einem Ende zum anderen mit einem langgezogenen dicken Spritzer Blut übersäht. Viktor sah einen Arm am Boden liegen und erkannte die Fingernägel seiner Mutter, die sie an dem Abend mit einem hellen Perlmuttblau lackiert hatte. Der Ring, den sie am Mittelfinger trug, fing das Licht der Lampe ein und glitzerte.
    Er sah seine Mutter, wie sie ohne Arm am Boden lag , und ihre Gedärme ergossen sich auf den Teppich. Ihr Gesicht war nicht mehr da, aber Viktor erkannte sie an dem Kleid und an den Haaren. Die Kopfhaut hing zur Hälfte vom Schädel herunter, darunter schien
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