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Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Titel: Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)
Autoren: Christian Bartel
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einbrachte.
    Ich habe eine Ansichtskarte, die das bezeugen kann: »Mein Leben begann mit euch«, schreibt Amelie, die heute eine florierende Agentur für Personenschutz in Tel Aviv betreibt. »Vorher war ich bloß ein verschrecktes Ding mit Schnittlauchhaaren.«
    Wir, Steffen und ich, sollten erst mal unsere eigenen Probleme klären, sagt Noa zum Abschied. Dann schmeißt sie uns raus.

3 Der Fluss schwappt träge herum und hat Mundgeruch. Den hat er zu dieser Jahreszeit immer, weil der Wasserspiegel fällt und am Ufer einen Saum öligen Schlicks hinterlässt, der mit jeder Welle aufgewühlt wird, die sich zwischen den steinernen Kribben aus Wackersteinen bricht. Es ist kurz vor drei, die Morgenröte schickt einen schwachen Schein über den Horizont, bald bricht schon wieder der Tag an, dabei ist es in der Nacht kaum abgekühlt.
    Steffen und ich stehen beide auf der falschen Seite des Brückengeländers. Ich habe Höhenangst.
    Hinter uns, auf der anderen Seite des Geländers, steht Rieke und schreit.
    Steffen schaut mich an, er sagt: »Scheiß drauf« und springt dann.
    Ich springe auch. Irgendwie bin ich ihm das schuldig. Oder Rieke. Oder mir.
    Ich will mich aber nicht umbringen, das will bloß Steffen.
    Ich dagegen habe keine Ahnung, was ich hier gerade mache.
    Immerhin habe ich keine Höhenangst mehr.
    Die Chancen stehen nicht schlecht. Den Aufprall auf das Wasser überlebt man sicher, aber dann wird man leicht von den Verwirbelungen an den Pfeilern heruntergezogen, habe ich gehört. Wenn man an diesen Strudeln unbeschadet vorbeikommt, kann man sich langsam mit der Strömung zum Ufer vorarbeiten, allerdings nur, wenn man vorher nicht von einem Schubverband erwischt wird. Es ist aber keiner zu sehen, außerdem ist einer von uns beiden Rettungsschwimmer. Das wird schon gutgehen, denke ich, während die dunkle Fläche näher kommt. Sie sieht schwarz und klebrig aus, wie Rübensirup.
    Rieke hatte angerufen: »Er will sich umbringen«, hat sie geschrien, und ich bin sofort losgefahren.
    »Sie hat Schluss gemacht«, setzte mich Steffen sofort ins Bild, und da stand er schon auf der falschen Seite des Geländers.
    Na endlich, denke ich und schäme mich nicht mal deswegen.
    Ich schaue hinunter zum Fluss. Von oben sieht es gar nicht so hoch aus.
    »Du bist Rettungsschwimmer, das überlebst du«, sage ich zu Steffen.
    »Darum geht es hier doch gar nicht«, meint Rieke.
    »Ich dachte, er will sich umbringen. Das sind aber höchstens zehn Meter.«
    »Es sind fünfzehn«, sagt Steffen.
    Er krallt sich ins Geländer und sieht ernsthaft verzweifelt aus. Rieke hat ihre Hände in seine Jacke gekrallt und sieht genauso verzweifelt aus.
    Ich stehe daneben und sehe allerhöchstens überfordert aus.
    Wahrscheinlich musste es so kommen. Für eine komplizierte Dreiecksgeschichte sind wir einfach nicht geschaffen. Rieke ist als Ilsa Lund schon ziemlich fehlbesetzt, aber ihr Freund als Victor László und ich in der Rolle des Rick Blaine liefern eine noch erbärmlichere Vorstellung ab.
    Das hier ist eben nicht Casablanca.
    »Es tut mir leid«, sage ich deswegen. »Ich hätte nicht jahrelang deine Freundin anbaggern sollen. Es war falsch, das sehe ich jetzt ein.«
    Was rede ich denn da? Egal.
    Jetzt ist wahrscheinlich die beste Gelegenheit, reinen Tisch zu machen, vielleicht überlebt es Steffen wirklich nicht und deswegen entschuldige ich mich für alles. Es wird eine lange Liste, aber immerhin erfahren wir interessante Dinge übereinander.
    Rieke und ich können uns beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, ob wir auf der Stufenfahrt rumgemacht haben oder nicht.
    Ist ja auch egal, sagt Rieke. Das finde ich überhaupt nicht.
    Es war Steffen, der mich mehrmals wegen Ruhestörung angezeigt hat, obwohl er am anderen Ende der Stadt wohnt. Dafür habe ich Hundescheiße durch sein offenes Fenster geworfen.
    Rieke hatte in der Zwischenzeit was mit Tante Matthes.
    Außerdem geht sie überhaupt nicht nach Israel, weil sie den Bewerbungstermin verschlafen hat, aber das wollte sie Anne gegenüber nicht zugeben.
    Wir gehen auch nicht in den Kibbuz, weil wir uns beim Bewerbungstermin geprügelt haben.
    »Ich hab alles versucht, aber du liebst mich nicht mehr«, sagt Steffen schließlich zu Rieke.
    »Ich hab alles versucht, aber sie liebt mich eh nicht«, sage ich zu Steffen.
    »Ich hab alles versucht«, sagt Rieke zu uns beiden, »aber ich halte es mit keinem von euch aus.«
    Damit ist eigentlich alles gesagt. Wir könnten nach Hause gehen.
    Jemand
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