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Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Titel: Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)
Autoren: Christian Bartel
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Vorstellungsrunde beginnen, befiehlt die Frau Leutnant, aber ich verschlucke mich lieber kunstvoll an einem der Pfefferminzdrops von Amelie und führe einen formvollendeten Hustenanfall auf, so dass Noa schließlich Steffen bitten muss, zu beginnen. Ich röchele noch ein wenig herum, bis Steffen endlich angefangen und Noa mir ein Glas Wasser gereicht hat.
    »Entschuldigung«, sage ich und sende ein verlegenes Lächeln in die Runde. Steffen wird knallrot, aber vor Wut und nicht etwa, weil er aufgeregt ist, wie Noa vermutet.
    »Stell dir einfach vor, du sitzt mit guten Freunden zusammen«, sagt sie deshalb. Steffens Gesichtsfarbe wechselt vom Knall- ins Karmesinrote und sein Blick, der nach wie vor auf mir liegt, von ordinärer Wut in hochprozentigen, leicht entzündlichen Hass.
    Vielleicht wird es doch noch was mit unserer gemeinsamen Gewaltkarriere.
    Es wird tatsächlich etwas daraus, aber erst später.
    Nach der Vorstellungsrunde müssen wir zuerst eine Brücke aus Pappstücken bauen. Ohne dabei verbal zu kommunizieren, erklärt Noa, weil wir in Israel bestimmt auch in Situationen gerieten, in denen wir mit Menschen zusammenarbeiten müssten, deren Sprache wir nicht sprächen. Amelie sagt, dass sie aber schon seit ein paar Monaten Hebräisch lernt. Noa notiert das.
    Ich bekomme Steffen als Partner zugeteilt, wir bauen das Ding mit Todesverachtung zusammen, ohne uns dabei auch nur anzuschauen, und Noa lobt unsere intuitiven Fähigkeiten. Wir hätten uns super aufeinander eingestellt, findet sie.
    Die beiden Rollkragenpullover hingegen konnten sich nicht einigen, sondern haben jeder eine eigene Brücke gebaut, und Amelie ist schon wieder verzweifelt, weil Noa nicht gut basteln kann und die Brücke deswegen eingestürzt ist.
    »Es ist doch nur ein Spiel«, entschuldigt sich Noa, aber Amelie rennt schon wieder raus.
    Dann müssen wir eine Karte ziehen.
    »Da steht ein Thema drauf, mit dem ihr in Israel sicherlich konfrontiert werdet. Ihr sollt dazu einen kleinen Dialog improvisieren, euch eine Alltagssituation ausdenken, in der dieses Thema auftauchen könnte.«
    Steffen und ich ziehen den Hauptgewinn: den israelisch-palästinensischen Konflikt.
    Wir haben fünf Minuten Zeit, uns vorzubereiten.
    »Ich hasse dich«, sagt Steffen, als wir gemeinsam vor der Tür stehen.
    »Ich hasse dich auch«, sage ich.
    »Damit ist ja alles gesagt.«
    »Damit ist alles gesagt«, antworte ich, aber dann fällt mir doch noch etwas ein.
    »Hast du eine Zigarette?«
    »Fick dich.«
    »Heißt das Ja oder Nein?«
    »Ja.«
    »Danke.«
    »Arschloch.«
    Es wird ein beeindruckender Auftritt, weil wir uns sehr gut mit unseren Rollen identifizieren können.
    Zumindest anfangs, später haben unsere Zuschauer Schwierigkeiten, der Argumentation zu folgen, obwohl die Darstellung zunehmend intensiver wird.
    »Ich war zuerst da«, beharre ich, weil ich die palästinensische Seite spiele und weil es auch sonst stimmt. Noa nickt zustimmend. »Schon in der Unterstufe«, füge ich hinzu, Noa runzelt die Stirn, und deswegen erzähle ich schnell irgendeinen Quatsch von einem Olivenhain, den schon mein Urgroßvater bewirtschaftet habe, bis uns Steffen mit Gewalt aus unserem Dorf vertrieben habe.
    »Hä?«, fragt Steffen, er ist nämlich nicht so fix. »Reden wir jetzt vom Dorf oder vom Hain?«
    Wir reden von Rieke, du Vollidiot, denke ich, sage aber nichts.
    »Er beruft sich auf die Geschichte«, hilft Noa aus, aber Steffen steht immer noch auf der Leitung.
    »Geschichte!« blafft er. »Das ist, wenn überhaupt, meine Geschichte.«
    »Sehr gut!« sagt Noa und ich meckere, dass sie mal lieber unparteiisch bleiben solle.
    Noa sieht das ein.
    Steffen behauptet, dass ich keinen Besitztitel für den Hain habe und mich widerrechtlich dort aufhalte.
    »Sagt wer?«, brülle ich.
    »Der Hain«, brüllt Steffen zurück.
    Noa greift ein und meint, dass man einen Olivenhain schlecht dazu befragen könne, aber diesen Einwand können wir beide nicht gelten lassen.
    »Überhaupt Besitztitel«, sage ich, »es geht hier doch nicht um deinen Privatbesitz, du Arsch.«
    Ein Olivenhain könne sich sehr wohl in Privatbesitz befinden, mischt sich Noa schon wieder ein, aber das lasse ich nicht gelten. Steffen blinzelt mich böse an.
    »Dieser Scheißhain war nicht meine Idee, wir können gerne über etwas anderes reden.«
    »Nee, bleibt ruhig mal bei eurer Grundidee«, sagt Noa.
    Wir stöhnen beide auf.
    Steffen behauptet daraufhin, der Hain sei ihm schon in der Bibel versprochen
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