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Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)

Titel: Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)
Autoren: Christian Bartel
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Morgens zieht.
    Und schließlich beginnen wir tatsächlich miteinander zu reden. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, fällt mir auf, dass es kein besonders tiefsinniges Gespräch gewesen ist, obwohl es sich so angefühlt hat, aber in jenem Moment war viel der Atmosphäre geschuldet. Wenn du deinem Lieblingsfeind alles angetan hast, was so ging, und dann schließlich im Morgengrauen auf einer schwankenden Boje zu liegen kommst und dich vor Erschöpfung nicht mehr rühren kannst, dein Körper dir also sagt, dass hier, und zwar genau hier, das Ende dieses Wegs erreicht ist, dass es keinen Schritt mehr weitergeht, dann bekommt jedes Wort eine Wichtigkeit, die man sonst vergeblich sucht. Besonders, wenn es dem anderen genauso geht.
    Das kann man nicht aufschreiben. Nur soviel: Es war nicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Wir haben vielmehr beschlossen, uns für den Rest unseres Lebens aus dem Weg zu gehen.
    Ein Typ mit Motorboot hat uns dann aufgefischt. Unser Kanu sei gekentert, haben wir ihm erklärt, und ja, es sei Alkohol im Spiel gewesen. Deswegen bitte bloß am Ufer absetzen und Stillschweigen über die Angelegenheit bewahren. Das hat er dann auch gemacht, bei ihm war nämlich auch Alkohol im Spiel, das hat man gerochen.
    Welche Uferseite, hat er noch gefragt, und Steffen und ich haben in verschiedene Richtungen gezeigt. Egal, haben wir gesagt, und das hat auch gestimmt.

4 »Guck mal«, sagt Tante Matthes und zeigt nach draußen, »da läuft deine Stehlampe.«
    Wir sitzen mit meiner gesamten Inneneinrichtung in der Straßenbahn und ziehen um, aber das hätten wir lieber nicht kurz nach Ladenschluss machen sollen. Die Bahn ist überfüllt und die Leute sind noch immer auf der Suche nach Schnäppchen.
    Eigentlich ist es mir egal, von mir aus können die mein komplettes Kinderzimmer übernehmen, aber es wäre schön, wenn die Leute fragten, bevor sie etwas mitnehmen.
    Die Straßenbahn rumpelt um die Kurve und mein Kleiderschrank droht umzukippen, ich stemme mich dagegen, dabei klappt die Tür auf und einer Frau mitten ins Gesicht. Sie schreit uns an, was uns einfalle, dabei hat sie die ganze Zeit gelauscht, sie sollte also wissen, warum wir hier sind.
    Wir sind hier, weil Matthes keinen Motorrad-Führerschein hat, weil sein Mitbewohner, der einzige offizielle Mieter seiner alten Wohnung, ihn rausgeworfen hat und weil er Priscilla kennengelernt hat.
    Wir sind hier, weil ich nicht mehr bei meinen Eltern wohnen und überhaupt mein Leben in die eigene Hand nehmen möchte. Oder muss.
    Außerdem sind wir hier, weil Oma Wittrichs Sohn gestorben ist. Er ist zwar schon seit fünfzehn Jahren tot, aber Matthes hat es erst jetzt herausgefunden.
    Matthes fährt nämlich neuerdings, seit er sich einen Zivi-Job gesucht hat, Essen für die Arbeiterwohlfahrt aus und zu seinen Kunden gehört eben auch Oma Wittrich.
    »Sie ist nett, du wirst sie mögen«, erklärt er.
    »Weiß sie, dass wir bei ihr einziehen?«
    »Sie hat mich darum gebeten, Mann«, sagt Tante Matthes.
    Ich nicke. Vielleicht stimmt es ja wirklich.
    »Verrückt«, sagt Matthes, »eigentlich wollte ich um diese Zeit in Mali sein, ich hatte schon alles haarklein geplant, die Route und so.«
    »Du hattest bloß vergessen, dass du gar nicht Motorrad fahren kannst.«
    »Ach, das hätte ich schon gelernt, auf dem Weg. In Afrika braucht man eh keinen Führerschein.«
    Ich nicke. Vielleicht stimmt es ja wirklich. Seit er die Schule abgebrochen hat, erzählt Matthes von seiner großen Afrika-Tour, und seit wir anderen Abi gemacht haben, ist es noch schlimmer geworden.
    Viele aus unserer ehemaligen Stufe beschäftigen sich gerade mit großen Reiseplänen, aber die meisten reden nur davon und suchen sich stattdessen doch ein Praktikum im Medienbereich. Bloß Bernd hat geschwiegen und erst vom Flughafen in Sydney aus Bescheid gesagt, dass er jetzt zwei Monate in Australien ist.
    Das hat Matthes tief getroffen, er findet es schwierig, wenn andere wagemutigere und verrücktere Dinge tun als er selber. Er hat dieses Bild von sich im Kopf, auf dem er breitbeinig auf einem Berg steht, den er gerade als Erster bestiegen hat, und in den Sonnenuntergang grölt. Und jetzt ist ausgerechnet Bernd als Erster auf diesem Gipfel gewesen, und damit hat die Sache für Matthes ihren Reiz verloren.
    Danach hat er sich trotzdem ein paar geländegängige Maschinen angeschaut, die er in einem Anzeigenblatt gefunden hatte, und ich dachte kurz, er macht es wirklich, aber dann hat er Priscilla
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