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Betongold

Betongold

Titel: Betongold
Autoren: Tom Westerhoff
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Ausweis zu sehen. »Waren Sie gestern Nachmittag um 15.00 Uhr im Dienst?«, fragte Kunkel; nicht gerade allzu freundlich.
    Â»Nein«, antwortete sein Gegenüber in leicht süffisantem Ton, »Ich habe die Frühschicht bis um 14.00 Uhr, dann kommt mein Kollege.«
    Â»Gibt es sonst jemand vom Personal, der gestern um 15.00 Uhr hier gewesen sein könnte?«
    Â»Da müssten Sie schon den Chef fragen, aber der kommt auch erst um 11.00 Uhr.«
    Kunkel zeigte ihm das Bild von Weishaupt. »Kennen Sie diesen Mann?«
    Der Empfangschef nahm das Foto in die Hand, schaute es lange an und sagte: »Nie gesehen.«Bevor der Portier seinen Sieg auskosten konnte, überreichte ihm Kunkel seine Visitenkarte. »Dann soll mich Ihr Chef bitte anrufen, wenn er kommt.« Er drehte sich um und ging durch die Drehtür zurück zu seinem Wagen, wo der Livrierte gerade dabei war, zwei krokodillederne Reisetaschen auf einen Kofferwagen zu laden.
    Dass er den Kofferwagen für seine Verhältnisse extrem weit schieben musste, da der Volvo den Platz vor dem Haupteingang belegt hatte, entlockte Kunkel eine gewisse Schadenfreude, die er auch nicht verbergen mochte. Er stieg genüsslich ein und machte sich auf den Weg ins Krankenhaus.
    Er musste zurück in die Innenstadt, es war jetzt 10.00 Uhr und der Berufsverkehr war schon durch. Er hatte relativ freie Fahrt und erreichte schnell die Kennedyallee. Dann quer durch die Stadt bis zur Seckbacher Landstraße. Um 11.00 stellte er den Volvo auf dem neu angelegten Besucherparkplatz des Sankt-Katharinen-Krankenhauses ab.
    An der Rezeption fragte er nach Vera Bonnes und wurde gebeten, auf einem der roten Besucherstühle im Empfangsbereich Platz zu nehmen.
    Eigentlich mochte er Krankenhäuser. Schon einige Male war er im Krankenhaus gewesen. Mit 12 Jahren hatte ihn sein Bruder vom Hochbett geworfen und er kam mit einem Schlüsselbeinbruch ins Krankenhaus, als 15-Jähriger hatte er sich das Knie bei einem Fußballspiel verdreht und man hatte ihm noch auf die damals übliche Art den Meniskus entfernt. Eine 12cm lange Narbe markierte seitdem sein rechtes Knie. Später kamen dann noch der zweite Meniskus und ein Kreuzbandriss dazu, alles Resultate seiner damaligen sportlichen Ambitionen Handballprofi zu werden. Doch spätestens seit einem Schulterbruch, bei dem ihm ein gegnerischer Spieler in der Luft den Arm herumgerissen hatte, war klar, dass daraus nichts werden würde.
    Seine »Besuche« im Krankenhaus waren also meist von Erfolg gekrönt; es ging ihm danach besser als vorher. Nach seinem letzten längeren Aufenthalt war er sich dessen allerdings nicht mehr so sicher.
    Es war vor 15 Jahren und er hatte sich nach einem Schwächeanfall selbst ins Krankenhaus eingeliefert. Barbara war seinerzeit mit den Kindern verreist und er war morgens in der Dusche ohnmächtig zusammengebrochen. Als er aufwachte, lag er mit einer Beule am Kopf auf dem Fliesenboden und konnte sich nicht mehr erinnern, wie lange er dort gelegen hatte. Er rappelte sich mühsam auf und fuhr in das nächstgelegene Krankenhaus. »Ich glaube, mir geht es nicht so gut«, sagte er noch zu dem Pfleger und brach wieder zusammen. Dann begann ein zweiwöchiges Programm zur Diagnose dieses Vorfalls.
    Als er nach acht Wochen entlassen wurde, hatte er eine schwere Bronchitis mit einer leichten Herzmuskelentzündung überstanden, und der Chefarzt hatte ihm mit auf den Weg gegeben, dringend in Zukunft mehr auf sich zu achten.
    Â»Herr Kunkel?« Ein großer weißer Mann mit Brille schreckte ihn aus seinen Gedanken.
    Â»Ja klar, entschuldigen Sie bitte.«
    Â»Sie kommen wegen Frau Bonnes?«
    Â»Ja«, erwiderte Kunkel; und zeigte ihm seinen Ausweis. Nachdem er ihm kurz den Sachverhalt erläutert hatte, gab der Arzt grünes Licht für ein kurzes Gespräch.
    Â»Zehn Minuten, aber bitte regen Sie sie nicht auf, wir haben ihr ein Beruhigungsmittel gegeben«, sagte er, während sie den Flur zum Zimmer hinunterliefen.
    Vera Bonnes war alleine in dem Zweibettzimmer. Sie lag auf dem Bett und schaute aus dem Fenster in den Garten des Krankenhauses. Langsam drehte sie sich um, als Kunkel die Zimmertür hinter sich schloss. Sie mochte Ende fünfzig sein, bei ihrem derzeitigen Zustand schwer zu schätzen. Sie war klein und zierlich, erinnerte ihn an eine berühmte Hamburger Schauspielerin, die immer diese resolute, aber
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