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Beton

Beton

Titel: Beton
Autoren: Thomas Bernhard
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weiterhin ein kleiner Geschäftsmann zu sein und kein, wie in den Vororten immer, angesehener Beamter, möglicherweise einer öffentlichen Dienststelle, wo ihm ein lebenslängliches Auskommen garantiert sei, im Gegenteil, hatte er den Wunsch seiner jungen Frau sofort aufgegriffen und gedacht, daß er sich als Geschäftsmann ja schließlich durch Arbeit und Verstand von einem kleinen unscheinbaren, eines Tages zu einem großen, ja bedeutenden machen könne, wenn ihm dabei das Glück nicht ausbleibe und er sich auf seine Frau verlassen könne. Beide hätten sie nach diesem Entschluß das Lokal in Trudering mieten und herrichten und schließlich eröffnen können. Aber dieser so rasch aufgeschriebene und von mir auch ebenso rasch auf der Borne mit geschlossenen Augen in der Abendwärme gesehene Vorgang, hat über ein Jahr gedauert, das die junge Frau als ein verzweifeltes bezeichnete, denn zu allen behördlichen Fürchterlichkeiten sei dann das Kind gekommen und dann, als Folge von allem wahrscheinlich, auch noch eine merkwürdige Krankheit, eine schleichende, wenn auch nicht lebensgefährliche, aber unangenehme und auf ihrem ganzen Körper kleine braune Flecken erzeugende, von welchen die Ärzte behaupteten, daß sie solche Flecken auf einem Körper niemals gesehen hätten. Aber schließlich hatten die beiden, durch die Mithilfe der Eltern der jungen Frau, die mit einem höheren, von der jungen Frau aber nicht genauer bezeichneten Betrag ausgeholfen hatten, ihr Geschäft aufmachen können. Als es aber aufgemacht war, begannen erst die Schwierigkeiten so richtig, sagte die junge Frau, ich hörte es, in dem Sessel auf der Borne sitzend, wiederdeutlich, den Tonfall, alles. Die Lieferanten wollten nicht liefern auf Kredit und das Lager sollte doch so groß als möglich sein, und wenn sie lieferten, dann lieferten sie das Verkehrte oder eine mangelhafte Ware, wie sie sich ausdrückte, oft wären eine Reihe von Kisten angekommen, in welchen halbzerstörte Apparate gewesen seien, weil die Transporteure so schlampig gewesen seien und überhaupt heute niemand mehr irgendeine Verantwortung trage für irgendetwas. Einerseits war sie den ganzen Tag mit dem Kind ausgefüllt, andererseits hätte sie denselben ganzen Tag ihrem Mann im Geschäft zu helfen gehabt, der, im Unterschied zu ihr, die sie einmal eine Handelsakademie besucht habe, merkwürdigerweise in Erlangen, wahrscheinlich, weil sie dort Verwandte hatte, in geschäftlicher Hinsicht so wenig beschlagen gewesen sei, daß es schon an das Unverantwortliche grenzte. Aber sie konnte ihrem Mann keinen Vorwurf in dieser Richtung machen, sie hatte ihn ja mehr oder weniger gezwungen, das Geschäft anzufangen und seinen eigentlichen Beruf, den des Elektroingenieurs, aufzugeben. Vielleicht war es von mir falsch und der größte Fehler gewesen, sagte sie, meinen Mann von seinem ja schon vorgezeichneten Weg abzubringen und zu diesem Geschäft zu zwingen. Die tatsächlichen Schwierigkeiten hätten sie naturgemäß nicht vorausgesehen, wenn sie sich auch auf die allergrößten gefaßt gemacht hätten und außerdem seien sie so guten Willens und in einer so mutigen Periode der Hoffnung gewesen, mit allen auf sie zukommenden Schwierigkeiten fertig zu werden, gleich als wie groß sie sich erweisen sollten. Aber ihr Mann, das habe sie erst, als es schon zu spät gewesen war, festgestellt, wäre der ungeeignetste für jede Art von Selbständigkeit gewesen. Das hatte sie nicht gewußt, obwohl sie es hätte sehen müssen, denn sie war ja lange genug mit ihm zusammen gewesen vor dem Entschluß, das Truderinger Geschäft aufzumachen, aber vielleicht, so sie, habe ich das alles gesehen, aber nicht sehen wollen. Sie habe es sich so schön vorgestellt,eine Truderinger Geschäftsfrau zu sein, mit keinen höheren Ansprüchen im Grunde und mit ihrem Mann und ihren Kindern ganz einfach glücklich. Ihre Rechnung war nicht aufgegangen. Den Mann hatte sie vom Weg abgebracht und dem Kind fehlte durch ihren Einsatz bei diesem Geschäft, die für eine Erziehung unbedingt erforderliche Aufmerksamkeit und Obhut. Das Kind hat gespürt, wie wir uns verrannt haben, sagte sie. Die Cañellastochter, die sich zuerst hatte verabschieden wollen, die ich aber gebeten hatte, zu bleiben, hörte jetzt aufeinmal doch aufmerksam dem zu, das die junge Anna Härdtl sagte, sie zeigte naturgemäß keinerlei Rührung, was auch zuviel verlangt gewesen wäre, aber sie erschien mir wenigstens als verständnisvoll. Dabei, sagte die
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