Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bestimmt fuer dich

Bestimmt fuer dich

Titel: Bestimmt fuer dich
Autoren: Stefan Rognall
Vom Netzwerk:
hinzuhalten. Er schien sich auf seinen Bruder wirklich zu freuen. Es war schon unwürdig genug, dass er für dieses Wiedersehen so ausdauernd kämpfen musste.
    Rosanna schob ihn in seinem Rollstuhl zum ersten wartenden Taxi und half ihm beim Einsteigen. Bei ihrer Verabschiedung nahm Fritz noch einmal ihre Hand und deutete galant einen Handkuss an. »Ich danke Ihnen«, sagte er leise.
    Rosanna spürte, wie sie errötete, und musste deswegen lächeln. Fritz winkte noch einmal und zog dann die Tür des Taxis zu, das sich daraufhin in Bewegung setzte.
    Ein wenig wehmütig sah Rosanna dem Wagen hinterher. Sie konnte sich weiterhin nicht des Eindrucks erwehren, dass Fritz ihr nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, den alten Herrn einfach in das Taxi zu setzen. Doch auch wenn es so war, so schien Fritz zumindest sehr viel daran gelegen zu haben. Und was konnte er schon anderes vorhaben, als hier seinen Bruder zu besuchen?

    Fritz war es unangenehm, Rosanna angelogen zu haben, aber er hatte sich nicht anders zu helfen gewusst. Hoffentlich würde Lukas sie nicht für das verantwortlich machen, was nun passieren müsste. Denn noch eine Chance befürchtete Fritz nicht zu bekommen. Und selbst wenn, wäre er dann vielleicht nicht mehr in der Lage, sie zu nutzen. Seit ein paar Wochen spürte er, wie er immer wieder den Faden verlor und Mühe hatte, sich daran zu erinnern, was noch vor wenigen Minuten passiert war. Als er vor zwei Tagen versucht hatte, durch den Garten des Pflegeheims zu flüchten, war das nicht etwa vom weichen Erdboden und den schweren Rädern seines Rollstuhls verhindert worden, sondern von seiner eigenen Verwunderung. Während Fritz sich mühsam vorwärtsgekämpft hatte, war ihm nämlich sein eigentlicher Fluchtplan entfallen. Schlimmer noch: Fritz hatte nicht einmal mehr gewusst, warum er in einem Rollstuhl saß. Vergeblich hatte er seine Hosentaschen nach dem Schlüssel seines Motorrads durchsucht, das er als Mittzwanziger begeistert gefahren hatte.
    Die Zeit drängte also in jeder Hinsicht. Als der Taxifahrer vor dem Haus anhielt, mit dem er so viele schöne Kindheitserinnerungen verband, dass die unglücklichen dagegen keine Chance hatten, verspürte Fritz zwar noch einmal den Drang, innezuhalten und sich seiner Nostalgie hinzugeben. Aber da er unbedingt verhindern wollte, dass ihn noch irgendjemand in letzter Sekunde retten könnte, legte er seine Hände auf die Räder seines Rollstuhls. Er drehte sich vom Haus weg und schob sich vorwärts. Zu seiner Überraschung fiel ihm das nun weniger schwer als heute Morgen beim Verlassen des Pflegeheims. Die Sonne brannte von einem wolkenlosen Himmel auf ihn hinunter, aber der salzige Wind, der vom Meer herüberwehte, war angenehm kühl und trocknete den Schweiß auf seiner dünnen Haut.
    Ein Gefühl von Leichtigkeit begann ihn zu durchströmen, und Fritz hoffte, dass dies ein gutes Zeichen war.

41
    Hektisch durchsuchte Lukas jede Tasche seiner Kleidung, immer und immer wieder, und sah dabei aus, als litte er an einem merkwürdigen, über seinen ganzen Körper wandernden Juckreiz.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Dominik.
    »Es ist weg«, flüsterte Lukas.
    »Was ist weg?«
    »Das Foto!«
    »Was für ein Foto?«
    »Das Foto, auf dem …« Lukas seufzte und schüttelte den Kopf. Er wollte Dominik jetzt nicht auch das noch erklären müssen. Er hoffte, das Foto wenigstens nicht im Wagen des Tharsianer-Kults verloren zu haben, sondern auf der Landstraße, die sie seit fast einer Stunde hinuntermarschierten. Danach zu suchen schien allerdings zwecklos. Sich zu fragen, ob der Verlust des Fotos mehr war als ein Zufall, ebenfalls.
    Ein Auto kam aus der Ferne heran. Wie bei jedem bisherigen stellte sich Dominik sofort in Anhalterposition, aber sein Daumen schien vom Pech verfolgt zu sein. Auch dieser Wagen brauste weiter.
    »Meinst du, das Schicksal könnte gegen uns sein?«, fragte Dominik.
    »Alles ist möglich«, murmelte Lukas und meinte es nicht einmal mehr ironisch.
    Wieder raste ein Wagen an ihnen vorbei, diesmal jedoch so schnell, dass Dominik nicht dazu kam, den Fahrer auf sich aufmerksam zu machen. Da es sich um einen Streifenwagen handelte, war das vielleicht auch besser so.
    »Magst du eigentlich Fisch?«, wollte Dominik unvermittelt wissen.
    Lukas warf ihm einen irritierten Blick zu.
    »Die haben hier an der Küste doch bestimmt auch Hering. So ganz frisch, meine ich.«
    Lukas seufzte und ging weiter.
    »Als Kind habe
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher