Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bestien

Bestien

Titel: Bestien
Autoren: John Saul
Vom Netzwerk:
verlagerte vorsichtig ihr Gewicht auf das
schmerzende Fußgelenk.
Sie konnte gehen, hinkte aber stark.
Mark ging an ihre Seite, legte stützend den Arm um sie, und
sie stiegen weiter.
Nach einer Stunde konnte Sharon nicht mehr.
Soviel im Sternenlicht zu erkennen war, wand sich der Steig
durch das steile Blockfeld eines alten Bergsturzes. Mark ließ
seine Mutter zurück und suchte die Umgebung ab. Schließlich
fand er einen Block, der tief unterhöhlt und durch einen
zweiten, etwas kleineren Felsblock zusätzlich geschützt war.
Zwischen beiden gab es genug Raum, daß sie windgeschützt
sitzen konnten. Doch als er Sharon zu der Stelle führte, war
ihm klar, daß die Blöcke sie nicht vor dem Hund schützen
konnten, der ihrer Fährte folgte.
Und der Hund würde die Männer mit sich bringen.
»Wir können nicht entkommen, wie?« sagte Sharon, als sie
ein paar Minuten gerastet hatte. Mark hatte ihr die Decke um
die Schulten gelegt, und sie hatte das verletzte Bein vor sich
ausgestreckt. Ihr war zum Heulen zumute, aber sie wollte dem
Drang nicht nachgeben.
»Ich weiß nicht«, sagte Mark nach einer Weile. »Wenn mir
nicht etwas einfällt, wie ich den Hund erledigen kann, sehe ich
schwarz.«
Er sagte es so beiläufig, daß Sharon schauderte. Aber dann
erinnerte sie sich des Blutbades, das sie im Umkreis des Sportzentrums gesehen hatte, und sie stählte sich gegen ihre Nervenschwäche. Mark war einmal imstande gewesen, einen Hund zu
töten, und würde es wieder tun. Verglichen damit, was Ames
getan hatte …
»Aber wie?« fragte sie. »Wie könntest du es tun?«
»Ich kann nicht, es sei denn, sie ließen ihn von der Leine.
Aber das werden sie nicht tun.«
Danach saßen sie stumm beisammen. Nach einer Weile
hörten sie durch die Nachtstille das Bellen des Hundes. Zuerst
war es nur ein schwaches Geräusch in der Ferne, aber es kam
stetig näher.
Trotz ihrer wachsenden Angst fühlte Sharon sich am Ende
ihrer Kräfte und unfähig, die Flucht fortzusetzen, selbst wenn
der unförmig angeschwollene Knöchel es gestattet hätte. Mark
saß neben ihr, anscheinend bereit, sich in sein Schicksal zu
ergeben.
Das Hundegebell war nicht mehr fern, und sie konnten nun
auch die Stimmen der Männer hören, die einander zuriefen,
und die huschenden Lichtkegel ihrer Lampen sehen, mit denen
sie den Pfad ausleuchteten. Dann schien der Hund zu spüren,
daß er seiner Beute nahe war, und stellte sein Gebell ein.
Einen Augenblick später dröhnte eine Männerstimme,
verstärkt durch ein Megaphon, durch die Dunkelheit.
»Es ist alles in Ordnung, Mrs. Tanner. Wir sind von der
Staatspolizei. Es ist alles vorbei. Sie können herunterkommen.«
War es wirklich möglich? Aber wie?
Gleich darauf meldete sich die Stimme wieder.
»Wir sind hier, Ihnen zu helfen, Mrs. Tanner. Ihr Mann rief
uns heute nachmittag an, als sie ihn nicht ins Sportzentrum
lassen wollten, um mit Ihnen zu sprechen. Es ist vorbei, Mrs.
Tanner. Wir haben sie alle.«
Blake! Endlich hatte Blake ihr geglaubt und die Staatspolizei verständigt! Beinahe jubelnd vor Erleichterung rappelte
sie sich auf, aber Mark hielt sie am Handgelenk zurück.
»Sie lügen, Mama«, flüsterte er. »Es ist bloß ein Trick!«
»Nein!« wimmerte Sharon. »Es ist alles gut – wir sind
gerettet!« Sie konnte Marks Gesicht in der Dunkelheit nicht
erkennen, aber seine Hand umfaßte ihr Gelenk fester. »Mark«,
sagte sie, bemüht, Ruhe zu bewahren, »und wenn es nur ein
Trick ist? Wir können nicht entkommen. Ich glaube nicht, daß
ich mehr als ein paar Schritte weiterkomme. Also laß mich
hinausgehen, Liebling, bitte. Wenn es keine Täuschung ist,
sind wir gerettet. Und wenn es eine ist, nun …« Sie stockte,
dann fuhr sie fort: »Wenn es eine Täuschung ist, wirst du Zeit
haben, allein zu entkommen. Wenn du mich nicht mitschleppen
mußt, werden sie dich nicht einholen können.«
Sie hielt inne und spürte seine Unschlüssigkeit. »Bitte«,
hauchte sie.
Langsam lockerte sich Marks Griff um ihr Handgelenk, aber
dann zog er sie näher.
»Ich hab’ dich lieb, Mama«, flüsterte er. »Ganz gleich, was
geschieht, ich hab’ dich lieb.«
Sie küßte ihn, und ihre Lippen streiften seinen verformten
Mund, ihre Finger gingen über den derben Wulst seiner Augenbrauen hin. »Ich hab’ dich auch lieb«, flüsterte sie. Dann hinkte
sie, an den Fels gestützt, aus der Deckung und trat auf den
Pfad.
»Ich – ich bin hier«, rief sie aus, und augenblicklich war die
Nacht voller Lichter, die alle auf sie gerichtet waren. Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher