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Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Titel: Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)
Autoren: Thomas Müller
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Jetzt, zum ersten Mal, wirst du dich fühlen wie …“ Jetzt, zum ersten Mal, bin aber auch ich immun gegenüber seiner Machtdemonstration, seiner Manipulation. Das Wiegen in der Sicherheit gegen den Drang zu schreien, zu flehen, zu betteln.
    „Du wirst sterben.“
    Jetzt, zum ersten Mal, bin ich in einer Erfahrungswelt, die er nicht betreten kann – aber um welchen Preis? Ich bin selbst für ihn nicht mehr angreifbar geworden. Ich bin außerhalb seiner Reichweite. Die Demonstration ist vorbei. Er wird im Erfolg leben. Er wird wieder und wieder in seiner Fantasie die letzten zwei Stunden durchspielen, meine Haltung, meine Fragen. Er wird meine Haut wie ein Foto in seiner Erinnerung hervorrufen, als die ersten Anzeichen der Kälte kamen. Meine Augenlider werden für ihn wie kleine Türchen zu einem wunderbaren Traum sein. Er wird sie öffnen und schließen und öffnen und schließen. Er wird sie in seinen Fantasien bewegen können wie ein Kleinkind die Puppenaugen, bei denen sich die Lider heben und senken, wenn man die Puppe nach vorne oder nach hinten bewegt. Er wird sich meine Haltung, meine Lippen, den Rücken am Heizkörper vorstellen und vor allem wird er mich in seinen Tagträumen sehr oft diese drei Glas Tee trinken sehen. Immer und immer wieder. Er wird es im Zeitraffer ablaufen lassen. Er wird es vor- und zurückspulen wie einen Film, den wir uns 20-mal ansehen und noch nicht genug haben. Er wird sich wieder und wieder in Erinnerung rufen, wie er mir die Auswahl des Teebeutels überließ, wie ich selbst das Wasser eingoss. Er wird im Traum noch lange seinen eigenen Tee umrühren. Er wird diesen Tag in Erinnerung behalten – die Sterne standen günstig für ihn.
    Er hat jetzt Macht, totale Kontrolle. Er weiß, dass ich es weiß. Er ist sich aber auch darüber im Klaren, dass ich weiß, dass ich langsam, aber sicher außerhalb seiner Reichweite komme. „Ohne zu wissen, dass jeder Sieg der Beginn der Niederlage ist.“
    Wenn aber Macht und Kontrolle, Dominanz, beherrschen, lenken und leiten, manipulieren, erniedrigen, demütigen, versklaven, betrügen, lügen, tarnen und täuschen … wenn das alles Ziel der Begierde ist, wenn das Bedürfnis darin besteht, all diese Dinge in die Realität umzusetzen, also ein bestimmtes Verhalten zu zeigen, um ein scheinbar höheres Gut zu erreichen, was wäre dann aber das Bedürfnis, wenn man erkennen muss, dass doch alles umsonst war?
    „Wenn dich zum Zeitpunkt des Todes nur der geringste Schauer befällt, dann merkst du zum ersten Mal, dass du dich betrogen hast.“
    Er sprach von seinem Leben, seiner Gesundheit, von seiner Zeit als erfolgreicher Kürschner. Von seiner Arbeit hier im Gefängnis. Ich hörte ihn, aber ich nahm den Inhalt nicht mehr auf. Ich war zu weit weg.
    „Mit einem einzigen Satz zerreißen wie Spinnweben. Du musst sterben.“
    Ich war zu weit gegangen. Auf der Suche nach der Wahrheit wurde ich selbst zum Opfer. Ich schloss einfach die Augen und wartete. Ich wartete, dass irgendetwas passierte, aber wenn man stirbt, passiert nichts. Es ist einfach nichts mehr: keine Farbe, kein Geruch, keine Erinnerung, kein Schmerz. Es ist nichts. Woher soll man dann auch wissen, dass es so weit ist? Also wartete ich auf etwas, das niemals eintreten würde: die Erkenntnis, dass man tot ist. Es gibt viele Fragen, auf die man keine Antwort hat, aber gibt es auch eine Antwort, auf die es noch keine Frage gibt?
    … nur der geringste Schauer befällt … zum ersten Mal … selbst betrogen hast …

52.

    Vielleicht war es meine Stimme, die jener von Jeffrey Dahmer ähnelte und welche die manipulierendste war, die ich in meinem ganzen Leben gehört hatte. Vielleicht waren es meine Augen, die den gleichen starren, durchdringenden und kalten Blick angenommen hatten wie jenen, den ich bei Jack Unterweger gesehen hatte. Vielleicht war es jene Überzeugungskraft, mit der Franz Fuchs allen Beteiligten zu verstehen gab, dass er aus seiner Sicht richtig gehandelt hatte. Vielleicht war es aber auch die Kälte meiner Hände, die mit Sicherheit nicht viel wärmer sein konnten als die Körper der Dutzenden von Leichen, die ich gesehen und berührt hatte.
    Jedenfalls starrte mich Lutz Reinstrom für den Augenblick einer Sekunde, wie mir schien, etwas entsetzt an, als ich die Augen aufschlug, mich nach vorne beugte, ihm die rechte Hand auf seine linke legte und mit betont ruhiger Stimme von ihm nur eine Handlung forderte: „Sie trinken jetzt Ihren Tee!“ Es war vielleicht eine
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