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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
Autoren: Philip Kerr
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wie ein Leichenbestatter. Er ist nicht nur der Blockwart mit Polizeibefugnis (die ihm die Orpo, die reguläre uniformierte Polizei, übertragen hat), sondern auch ein Spitzel der Gestapo. Vor langer Zeit war ich zu dem Schluß gekommen, daß es schlecht für das Geschäft war, wenn man sich mit Gruber anlegt; also gab ich ihm, wie alle anderen Bewohner des Hauses, wöchentlich drei Mark, in der Annahme, damit alle meine Beiträge zu den immer neuen Geldbeschaffungsmaßnahmen abgedeckt zu haben, welche die Deutsche Arbeitsfront sich einfallen ließ.
    Ich verfluchte die Langsamkeit des Lifts, als Grubers Tür sich gerade so weit öffnete, daß sein Haifischgesicht den Flur entlangspähen konnte.
    «Ah, Herr Gunther, Sie sind's», sagte er, aus seinem Büro kommend. Er watschelte auf mich zu wie ein Krebs, der unter Hühneraugen leidet.
    « Guten Morgen, Herr Gruber», sagte ich und vermied es, ihm ins Gesicht zu sehen. Sein Gesicht hatte etwas von Nosferatu, wie ihn Max Schreck im Film verkörpert hatte, ein Eindruck, der durch die manischen Waschbewegungen seiner skelettartigen Hände verstärkt wurde.

    «Da war eine junge Dame, die Sie sprechen wollte », sagte er. « Ich habe sie raufgeschickt. Ich hoffe, das war richtig so, Herr Gunther.»
    «Ja ... »
    « Das heißt, falls sie noch da ist», sagte er. « Das war vor mindestens einer halben Stunde. Da ich wußte, daß Fräulein Lehmann nicht mehr für Sie arbeitet, mußte ich ihr mitteilen, daß ich nicht sagen könne, wann Sie aufkreuzen würden, weil Sie immer zu so ungewöhnlichen Zeiten kämen.» Zu meiner Erleichterung kam der Lift, ich zog die Tür auf und trat hinein.
    « Danke, Herr Grubef», sagte ich und schloß die Tür.
    « Heil Hitler», sagte er. Der Lift begann im Schacht nach oben zu schweben. Ich rief: « Heil Hitler.» Bei jemandem wie Gruber sollte man den Hitlergruß nicht vergessen. Es lohnt den Ärger nicht. Aber eines Tages werde ich diesem Wiesel die Zähne einschlagen, bloß aus reinem Vergnügen.
    Ich teile die vierte Etage mit einem « Deutschen» Zahnarzt, einem « Deutschen» Versicherungsagenten und einer « Deutschen» Arbeitsvermittlung; das letztgenannte Büro hat mir die vorläufige Sekretärin besorgt. Sie war vermutlich die Frau, die jetzt in meinem Vorzimmer wartete. Als ich aus dem Lift trat, hoffte ich, daß sie nicht abgrund häßlich war. Natürlich nahm ich nicht an, daß ich ein knackiges Mädchen kriegen würde, andererseits war ich auch nicht scharf genug darauf, mich auf eine Brillenschlange einzustellen. Ich öffnete die Tür.
    « Herr Gunther? » Sie stand auf, und ich schätzte sie mit einem Blick ab: Nun, sie war nicht so jung, wie ich nach Grubers Worten angenommen hatte (ich schätzte sie auf etwa fünfundvierzig), aber nicht übel, wie mir schien. Vielleicht ein bißchen bieder und schnuckelig (sie hatte einen gediegenen Hintern), aber zufällig mag ich das. Ihr Haar war rot, mit einer Spur Grau an Schläfen und Wirbel, und zu einem Knoten zurückgebunden. Sie trug ein Kostüm aus schlichtem grauem Tuch, eine weiße, hochgeschlossene Bluse und einen schwarzen Hut mit umlaufendem, hochstehendem Rand.
    «Guten Morgen», sagte ich so liebenswürdig, wie ich es angesichts meines ausgewachsenen Katers vermochte. «Sie müssen meine vorläufige Sekretärin sein.» Ich war froh, daß ich überhaupt eine Frau bekommen hatte, und diese sah halbwegs annehmbar aus.
    «Frau Protze », erklärte sie und reichte mir die Hand. «Ich bin verwitwet.»
    «Tut mir leid», sagte ich und schloß die Tür zu meinem Büro auf. «Aus welcher Gegend in Bayern kommen Sie?» Der Akzent war unüberhörbar.
    «Regensburg. »
    «Das ist eine hübsche Stadt.»
    «Sie müssen dort einen verborgenen Schatz entdeckt haben.» Witzig war sie auch noch, dachte ich; das war gut:
    Wenn sie für mich arbeitete, brauchte sie eine Portion Humor.
    Ich erzählte ihr alles über meine Tätigkeit. Sie sagte, das höre sich sehr aufregend an. Ich führte sie in das angrenzende kleine Zimmer, in dem sie ihr Hinterteil plazieren sollte.
    «Vermutlich ist es nicht schlecht, wenn Sie die Tür im Vorzimmer offenlassen », erklärte ich ihr. Dann zeigte ich ihr den Waschraum auf dem Flur und entschuldigte mich wegen der Seifenreste und der schmutzigen Handtücher. «Ich zahle pro Monat 75 Mark und muß mir so was bieten lassen», sagte ich. «Verdammt, ich werde mich bei diesem Halunken von Hauswirt beschweren.» Aber bereits als ich das sagte, wußte ich, daß
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