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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
Autoren: Philip Kerr
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Commerzbank. Schemm kramte wieder in seiner Aktentasche und übergab mir einen Brief, auf dem Briefpapier der Germania geschrieben.
    «Hiermit wird bestätigt, daß Sie von unserer Gesellschaft verpflichtet worden sind, den Brand zu untersuchen, bevor ein Anspruch auf Schadenersatz an uns ergeht. Das Haus war bei uns versichert. Wenn Sie irgendwelche Probleme haben, sollten Sie mit mir Verbindung aufnehmen. Unter keinen Umständen dürfen Sie Herrn Six behelligen oder auch nur seinen Namen erwähnen. Hier ist ein Dossier, das alle Hintergrundinformationen enthält, die Ihnen nützlich sein könnten.»
    « Sie scheinen an alles gedacht zu haben», sagte ich spitz. Six erhob sich, ihm folgte Schemm, und ein wenig mühsam stand ich ebenfalls auf.
    «Wann werden Sie mit Ihren Ermittlungen anfangen?» « Sofort am Morgen.»
    « Ausgezeichnet.» Er klopfte mir auf die Schulter. «Ulrich wird Sie nach Hause fahren.» Darauf ging er zu seinem Schreibtisch, setzte sich in seinen Sessel und machte sich daran, ein paar Papiere durchzusehen. Er nahm von mir keine Notiz mehr.
    Als ich wieder in der bescheidenen Halle stand und darauf wartete, daß der Butler mit Ulrich erschien, hörte ich, daß draußen ein weiteres Auto vorfuhr. Für eine Limousine war das Motorengeräusch zu laut, und ich schätzte, daß es sich um einen Sportwagen handelte. Eine Tür knallte zu, ich hörte Schritte auf dem Kies, und dann drehte sich knirschend ein Schlüssel im Schloß der Eingangstür. Eine Frau trat ein, in der ich auf Anhieb den Ufa-Star Ilse Rudel erkannte. Sie trug einen schwarzen Zobelmantel und ein Abendkleid aus blauem Satin. Sie blickte mich verblüfft an, während ich sie einfach nur anglotzte. Sie war es wert. Sie hatte genau den Körper, von dem ich immer nur geträumt hatte, in jenen Träumen, von denen man sich wünscht, daß sie sich wiederholen. Es gab nicht viel, was ich mir in diesen Träumen nicht ausmalen konnte, ausgenommen die gewöhnlichen Dinge wie Arbeit und Allerweltsmänner.
    «Guten Morgen », sagte ich, doch der Butler war wie auf Samtpfoten zur Stelle, um sie von mir abzulenken und ihr aus dem Pelz zu helfen.
    «Farraj, wo ist mein Mann? »
    «Herr Six ist in der Bibliothek, Madame.» Meine blauen Augen traten ein wenig aus den Höhlen, und mir fiel das Kinn herunter. Daß diese Göttin mit dem Gnom im Arbeitszimmer verheiratet war, gehörte zu den Dingen, die mich in der Überzeugung bestärkten, daß Geld alles war. Ich sah ihr zu, wie sie zur Bibliothekstür hinter mir schritt. Frau Six - es wollte mir nicht in den Kopf - war großgewachsen, blond und sah so blühend aus wie das Schweizer Bankkonto ihres Gatten. Es war ein Zug um ihren Mund, der schlechte Laune verriet, und meine Fähigkeit, in Gesichtern zu lesen, sagte mir, daß sie gewohnt war, ihren Willen durchzusetzen: in bar. An ihren vollendeten Ohren blitzten Brillantclips, und als sie näher kam, roch ich den Duft von Eau de Cologne. Als ich gerade dachte, sie werde mich nicht beachten, warf sie einen Blick in meine Richtung und sagte kühl: «Gute Nacht, wer Sie auch sind.» Dann verschwand sie in der Bibliothek, bevor ich etwas erwidern konnte. Ich verschluckte meine Zunge und klappte den Mund zu. Ich blickte auf meine Uhr. Es war halb vier. Ulrich erschien wieder.
    «Kein Wunder, daß er lange aufbleibt>" sagte ich und folgte Ulrich durch die Tür.
    3
    Der folgende Morgen war grau und feucht. Ich erwachte mit einem ekelhaften Geschmack im Mund, trank eine Tasse Kaffee und überflog die Berliner Börsenzeitung, die ungenießbarer war als gewöhnlich, denn die Sätze waren so lang und so unverständlich wie eine Rede von Rudolf Heß.
    Ich rasierte mich, zog mich an, klemmte meinen Wäschesack unter den Arm und war weniger als eine Stunde später am Alexanderplatz. Nähert man sich ihm von der Neuen Königstraße, wird der Platz von zwei großen Bürohäusern flankiert: dem Berolina-Haus rechts und dem AlexanderHaus links, wo ich im vierten Stock mein Büro hatte. Bevor ich ins Büro ging, lieferte ich meinen Wäschesack im Erdgeschoß bei der Adler-Wäscherei ab.
    Beim Warten auf den Lift war eine kleine Anschlagtafel kaum zu übersehen, an der eine Aufforderung klebte, die Sammlung für Mutter und Kind zu unterstützen, sowie die Anordnung der Partei, einen antisemitischen Film zu besuchen, und dazu kam noch ein prachtvolles Führerbild. Für diese Anschlagtafel war der Hausmeister Gruber verantwortlich, ein verschlagener kleiner Mann, der aussah
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