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Berlin-Krimi 03 - Notlandung

Titel: Berlin-Krimi 03 - Notlandung
Autoren: Fritjof Karnani
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hatte.
    »So hat Marcel auch immer dagestanden«, sagte Frau Leimbach leise hinter ihr.
    »Wir sind hier eingezogen, als ich mich von meinem Mann getrennt habe. Marcel muss damals sechs oder sieben gewesen sein, ich war gerade mit Romy, meiner jüngsten Tochter, schwanger. Und kurz darauf stand dann sein Berufswunsch fest, er wollte Pilot werden. Ich hab es anfangs nicht ernst genommen, alle Jungen in dem Alter wollen Pilot werden.«
    »Nicht nur die Jungen«, sagte Beryl und kam sich kurz darauf ziemlich blöd vor.
    »Da haben Sie wohl recht.« Sie sah, dass Frau Leimbach zu lächeln versuchte. »Jedenfalls habe ich Marcel damals gesagt, er müsse sehr gute Noten haben, um Pilot zu werden. Daraufhin hat er sich in der Schule richtig reingehängt, innerhalb von ein paar Monaten ist er von einem Dreier-Kandidaten mit Bangen bei jeder Versetzung zu einem Musterschüler geworden, mit einem 1,8er Abi. Und er hat angefangen, alles über die Fliegerei zu lesen und zu lernen.«
    Marcels Mutter sah jetzt auch aus dem Fenster.
    »Marcel hat mit zehn Jahren angefangen zu arbeiten, er hat vor der Schule Zeitungen ausgetragen, in einer Eisdiele und in einem Supermarkt gejobbt. Und er hat jeden Cent gespart. Mit 17 hat er dann seine ersten Flugstunden genommen, bezahlt von seinem eigenen, selbstverdienten Geld. Ich hätte ihm das auch nie bezahlen können, mein Mann hat uns noch vor der Geburt von Romy verlassen. Ich musste das Geld mehr oder weniger allein heranschaffen. Ab und an hat sein Vater mal Unterhalt gezahlt, verlassen konnte man sich darauf aber nie. Das Geld hat immer nur für das Nötigste gereicht. Marcel hat das mit den Flugstunden ganz allein geschafft, und um ehrlich zu sein, ich habe das nicht mal richtig mitbekommen. Kurz nach seinem 18. Geburtstag hat er dann seine Privat-Piloten-Lizenz erworben. Er hat mich damals in einer Cessna über Berlin geflogen, irgendwo da draußen sind wir rumgeflogen. Und erst in dem Moment wurde mir klar, was Marcel allein auf die Beine gestellt hat. Ich weiß noch, wie ich mich geschämt habe, weil ich das alles nicht wirklich ernst genommen habe. Ich hatte einfach auch nie die Zeit für die Kinder, die ich gerne gehabt hätte.«
    Sie deutete aus dem Fenster.
    »Als er mich das erste Mal geflogen hat, konnte ich unser Haus sehen, und dann sind wir in Tempelhof gelandet. Er war glücklich und stolz, und ich war beschämt. Wie auch immer. Er hat sich gleich nach dem Abitur bei der Lufthansa beworben und bei Filomena Airways. Und hat zwei Absagen bekommen, ich weiß noch, dass er wochenlang am Boden zerstört war. Für ihn war es so klar gewesen, dass er Pilot werden würde, er konnte einfach nicht verstehen, dass die ihn nicht haben wollten. Er musste einfach fliegen und hat sich dann bei einer privaten Flugschule zur Ausbildung zum Verkehrspiloten angemeldet. Für die Kosten mussten wir einen Kredit aufnehmen. Aber als er dann endlich im Cockpit von einem dieser Flieger saß, da war er so glücklich, und alles war vergessen.«
    »Marcel hat sich nicht umgebracht, egal, was die Leute erzählen.« Beryl drehte sich um und sah das Mädchen an. Es musste Anita sein, die Ältere der beiden. Anita hatte Augen, die reifer waren, als man es bei einem Mädchen ihres Alters vermuten würde. Und Beryl fiel jetzt auf, dass das bei Marcel genauso gewesen war. Marcel war in vielen Dingen älter und reifer gewesen. »Kinder werden schnell erwachsen, wenn sie bald Verantwortung übernehmen müssen«, dachte sie.
    »Warum sollte er das tun, jetzt wo er am Ziel seiner Träume war?«
    »Ich verstehe es auch nicht, Anita. Alles, was ich sagen kann, ist, dass er ein guter Pilot war.«
    »Und selbst wenn er ein schlechter gewesen wäre oder ihr ihn gefeuert hättet, er hätte uns nicht allein hier zurückgelassen! Niemals! Er hat es unserem Vater nie verziehen, dass er uns einfach verlassen hat. Er hätte das nicht getan. Wir sind ein Team, wir vier«, Anita stockte, »wir waren ein Team. Marcel wäre unter keinen Umständen einfach abgehauen. Schon unseretwegen nicht!«
    Frau Leimbach strich ihrer Tochter über den Kopf.
    »Die Kinder sind nicht nur Geschwister, sie sind echte Freunde, und eigentlich sind sich die drei alle sehr ähnlich.«
    Beryl seufzte. Das hier machte es alles noch viel schlimmer, sie merkte, dass sie Tränen in den Augen hatte.
    Anita und Romy nahmen die Hände ihrer Mutter und hielten sie fest.
    »Und mein Bruder hätte uns nicht mit den 100.000 Euro Schulden von seinem
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