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Berlin Gothic 7: Gottmaschine (Thriller) (German Edition)

Titel: Berlin Gothic 7: Gottmaschine (Thriller) (German Edition)
Autoren: Jonas Winner
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verzehren konnte.
    „Komm mit.“ Er griff nach ihrer Hand, es ging durch sie hindurch wie ein Ruck. „Ich will dir was zeigen.“
    Sie ließ sich von ihm aus dem Stuhl heraus und zu einer Tür in der gläsernen Außenwand ziehen. Mit einer ungeduldigen Bewegung riss Felix die Tür vor ihr auf.
    Eiskalt peitschte der Regen zu ihnen herein.


     
    Hinter der Tür spannte sich eine schmale, stählerne Brücke zu dem Steinbau, der sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite erhob. Dicke Drahtseile hielten die Brücke, die ansonsten vollkommen frei in der Luft hing, kein Dach hatte, und auch keine Wände, sondern nur verschraubte und genietete Geländer auf beiden Seiten. Lisa war die luftige Konstruktion, die die beiden Gebäude im sechsten Stock miteinander verband, vor ein paar Monaten zum ersten Mal aufgefallen, groß darauf geachtet hatte sie jedoch nicht.
    Felix zog sie durch die Tür hinaus ins Freie. Schräg unter sich konnte Lisa den abendlichen Verkehr sehen, Scheinwerferkegel, die um die Ecke bogen, Fußgänger, die allein oder zu zweit den Bürgersteig entlangeilten. Der Regen hatte ein wenig nachgelassen, aber noch immer war die Luft von verirrten Tropfen durchmischt.
    „Das wirst du sehen wollen“, rief Felix ihr zu, ließ ihre Hand fahren und ging voran, da die Brücke zu schmal war, um nebeneinander darüber zu laufen. „Es ist in meinem alten Arbeitszimmer, hier kommen wir am schnellsten dorthin.“
    Lisa berührte das kalte Metallgeländer, das sie vor dem Abgrund schützte, und spürte, wie die Stahlkonstruktion von den kräftigen Windböhen, die die Straße entlangpeitschten, in Schwingungen versetzt wurde. Sie blieb stehen und das Rauschen der Nacht umfing sie.
    „Lisa?“
    Sie blickte auf.
    Felix hatte das Gebäude auf der anderen Straßenseite erreicht und machte ihr ein Zeichen, ihm zu folgen.
    Ihr Blick wandte sich wieder nach unten und sie achtete darauf, dass sich die Absätze ihrer Schuhe beim Weiterlaufen nicht in den gestanzten Löchern der Stahlplatten verfingen, mit denen die Brücke ausgelegt war.
    „MEINST DU WIRKLICH, ICH LASSE DICH MIT MIR SPIELEN, WIE ES DIR BELIEBT?“
    Es klang beinahe wie das Rauschen des Windes in den steinernen Türmchen und Erkern des alten Firmengebäudes - aber es war Felix, der ihr durch das nächtliche Unwetter hindurch etwas zuschrie.
    Entsetzt riss sie den Kopf hoch und sah, wie er sie anstarrte. Eiskalt durchfuhr sie ein Windstoß und blies ihre Haare zur Seite.
    Es stimmte, sie spielte mit ihm. Sie sah den weißen, wollüstigen Körper der maskierten Frau vor sich, der sich dehnte, als Felix das Halsband straffzog.
    Im gleichen Augenblick klirrte und schepperte es. Felix hatte das Metallgeländer gepackt und rüttelte daran. Für einen Moment schien die Zeit still zu stehen. Lisa hatte das Gefühl, ihr Magen würde in ihrem Bauch schweben.
    Dann durchriss ein harter Schlag die Stahlkonstruktion, auf der sie stand - und sie starrte in den Abgrund, von dem sie auf einer Seite jetzt kein Geländer mehr trennte.
    Felix hatte es mit einem Griff aus der Verankerung gelöst - es war herumgeschlagen - schwang noch einmal hoch und rastete dann - senkrecht nach unten stehend - ein. Instinktiv schloss sich Lisas Hand um das Geländer auf der anderen Seite.
    „Lass es los, Lisa.“
    Zurücklaufen - wie weit war sie bereits auf der Brücke? Umdrehen? Ohne Geländer - und mit diesen Absätzen -
    Sie sah, wie Felix hart gegen den mittleren Holm des Geländers trat, an dem sie sich festhielt.
    Es krachte und ihre Hand löste sich.
    Lisa wankte - ein Ruck - die Stahlbrücke klirrte, als würde sie in ihre Einzelteile zerbersten.
    Kalt und von dem stundenlangen Regen mit einer glitschigen Schicht bedeckt, erstreckte sich die geländerlose Brücke jetzt vor Lisa wie eine schmale Stahlschiene bis zum Steingebäude auf der anderen Straßenseite. Unter sich sah Lisa ihre Pumps auf dem Träger stehen - rechts und links davon ging es zwanzig Meter in freiem Fall bis hinunter auf das Pflaster.
    Ihr versagten die Beine. Sie sank auf die Stahlplatte, auf der sie gestanden hatte, ihre Arme schlossen sich um die Nieten und Träger, aus denen die Brücke zusammengeschraubt war, mit fliegendem Atem presste sie das feuchte Metall an ihre Wange. Es kam ihr so vor, als würde es glühen.


     
    Heute
     
    Er kann Lisa neben ihrer Mutter stehen sehen, vor den Nadelbäumen, die hinter ihnen in den Himmel aufragen. Lisas dunkelblonde Haare schimmern auf der schwarzen Jacke,
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