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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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Vorn ein gelbes Klavier mit Paketen drauf. Das Orchestrion macht ununterbrochen Krach. Dann wird es finster und der Film läuft. Einem Gänsemädchen soll Bildung beigebracht werden, warum, wird einem so mitten drin nicht klar. Sie wischte sich die Nase mit der Hand, sie kratzte sich auf der Treppe den Hintern, alles im Kino lachte. Ganz wunderbar ergriff es Franz, als das Kichern um ihn losging. Lauter Menschen, freie Leute, amüsieren sich, hat ihnen keiner was zu sagen, wunderbar schön, und ich stehe mitten mang! Dann lief es weiter. Der feine Baron hatte eine Geliebte, die sich auf eine Hängematte legte und dabei ihre Beine senkrecht nach oben streckte. Die hatte Hosen an. Das ist eine Sache. Was sich die Leute bloß aus dem dreckigen Gänseliesel machten und daß die die Teller ausleckte. Wieder flimmerte die mit den schlanken Beinen auf. Der Baron hatte sie allein gelassen, jetzt kippte sie aus der Hängematte und flog ins Gras, lag lang da. Franz stierte auf die Wand, es gab schon ein anderes Bild, er sah sie noch immer herauskippen und lang daliegen. Er kaute an seiner Zunge, Donnerkiel, was war das. Als dann einer, der aber der Liebhaber der Gänsemagd war, diese feine Frau umarmte, lief es ihm heiß über die Brusthaut, als wenn er sie selbst umarmte. Das ging auf ihn über und machte ihn schwach.
    Ein Weibsstück. (Es gibt noch mehr als Ärger und die Angst. Was soll der ganze Quatsch? Luft, Mensch, ein Weib!) Daß er daran nicht gedacht hatte. Man steht am Zellenfenster und sieht durchs Gitter auf den Hof. Manchmal gehen Frauen vorbei, Besuch oder Kinder oder Hausreinigung beim Alten. Wie sie überall an den Fenstern stehn, die Sträflinge, und kucken, alle Fenster besetzt, verschlingen jedes Weib. Ein Wachtmeister hatte mal 14 Tage Besuch von seiner Frau aus Eberswalde, früher ist er bloß alle 14 Tage rübergefahren zu ihr, jetzt hat sie die Zeit weidlich ausgenützt, bei der Arbeit läßt er den Kopf vor Müdigkeit fallen, kann kaum noch laufen.

    Franz war schon draußen auf der Straße im Regen. Wat machen wir? Ick bin frei. Ick muß ein Weib haben. Ein Weib muß ick haben. Schöne Lust, fein is das Leben draußen. Nur mal fest stehn und laufen können. Es federte in seinen Beinen, er hatte keinen Boden unter sich. Dann war an der Ecke Kaiser-Wilhelm-Straße hinter den Marktwagen schon eine, neben die er sich gleich stellte, egal was für eine. Donnerkiel, wo kriegen wir mit einmal die Eisbeene her. Er zog mit ihr los, zerbiß sich die Unterlippe, so schauerte ihn, wenn du weit wohnst, komm ich nicht mit. Es war nur quer über den Bülowplatz, an den Zäunen vorbei, durch einen Hausflur, auf den Hof, sechs Stufen herunter. Sie drehte sich zurück, lachte: »Mensch, sei nich so jieprig, fällst mir ja aufn Kopp.« Wie sie nur die Türe hinter sich geschlossen hatte, packte er sie an. »Mensch, laß mich doch erst den Schirm hinlegen.« Er preßte, drückte, kniff an ihr, rieb seine Hände über ihren Mantel, er hatte noch den Hut auf, den Schirm ließ sie ärgerlich fallen: »Laß mir doch los, Mensch«, er ächzte, lächelte falsch und schwindlig: »Was is denn los?« »Du reißt mir die Kledage kaputt. Wirst du se etwa berappen. Na also. Uns schenkt auch keiner was.« Als er sie nicht losließ: »Ich krieg doch keine Luft, Dussel. Bist wohl übergeschnappt.« Sie war dick und langsam, klein, er mußte ihr erst die drei Mark geben, die legte sie sorgfältig in die Kommode, den Schlüssel steckte sie in ihre Tasche. Er mit den Augen immer hinter ihr her: »Weil ich nämlich ein paar Jährchen abgerissen habe, Dicke. Draußen, Tegel, kannst dir ja denken.« »Wo?« »Tegel. Kannst dir ja denken.«
    Das schwammige Weib lachte aus vollem Hals. Sie knöpfte sich oben die Bluse auf. Es waren zwei Königskinder, die hatten einander so lieb. Wenn der Hund mit der Wurst übern Rinnstein springt. Sie griff ihn, drückte ihn an sich. Putt, putt, putt, mein Hühnchen, putt, putt, putt, mein Hahn.
    Bald darauf hatte er Schweißtropfen im Gesicht, er stöhnte. »Na, wat stöhnst du.« »Was läuft da für ein Kerl nebenan?« »Is kein Kerl, is meine Wirtin.« »Was macht denn die?« »Was soll die denn machen. Die hat da ihre Küche.« »Na ja. Die soll doch aufhören zu laufen. Was hat die jetzt zu laufen. Ich kann es nicht vertragen.« »Jotte doch, ich geh schon hin, ich sags ihr schon.« Ist das ein schweißiger Kerl, man is ordentlich froh, wenn man ihn los is, der olle Penner, den setz ich bald raus. Sie
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