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Berlin 1933-1945: Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus (German Edition)

Berlin 1933-1945: Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus (German Edition)

Titel: Berlin 1933-1945: Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus (German Edition)
Autoren: Unbekannt
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Dementsprechend wurde Berlin in der zeitgenössischen Literatur regelmäßig nur mit dem Ruhrgebiet oder dem Land/Gau Sachsen verglichen, die als industrielle Ballungsgebiete über eine ähnlich hohe Produktion verfügten wie die Reichshauptstadt.
     
    DR. CHRISTOPH KREUTZMÜLLER
    (geb. 1968), Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt im Nationalsozialismus an der Humboldt-Universität zu Berlin.

TRANSPORT UND ÖFFENTLICHER VERKEHR

Resümee und Ausblick
    Der Nationalsozialismus stellte für das Berliner Verkehrswesen keine Zäsur dar. Infrastrukturelle Maßnahmen waren in erster Linie arbeitsmarktpolitisch motiviert oder standen in unmittelbarem Zusammenhang mit den Olympischen Spielen. Gleichwohl waren die wirtschaftlichen Impulse der NS-Verkehrspolitik wesentlich schwächer, als es die Propaganda suggerierte – sie ist daher nach Kopper als scheinmodern zu charakterisieren. 89
    Wesentliche Veränderungen im Transport- und Verkehrswesen waren administrativer Natur: Die rassistische und antisemitische Politik führte zu personellen Veränderungen, große Verkehrsunternehmen wurden in städtische Eigenbetriebe umgewandelt. Infrastrukturell bedeutsame Maßnahmen, die nicht aus der Weimarer Republik stammten, gab es lediglich auf dem Papier.
    Zahlreiche Verkehrseinrichtungen wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört, doch eine infrastrukturelle Umgestaltung der Stadt erfolgte erst im Zuge ihrer Teilung. Der Mauerbau 1961 bereitete dem jahrzehntelang gewachsenen Verkehrssystem ein Ende. Obwohl die Stadt seit der Wiedervereinigung von 1990 wieder ein einheitliches Verkehrssystem hat, sind die Folgen ihrer Zweiteilung noch heute sichtbar; unter anderem lassen sich Ost- und West-Berlin noch immer sehr gut anhand des U-Bahn- beziehungsweise Straßenbahnnetzes abgrenzen.
    An viele ehemals bedeutsame Berliner Verkehrseinrichtungen erinnert heute nur noch der Name: Vom Anhalter Bahnhof sind ein Stück der Portalruine und der Name einer S-Bahn-Station erhalten, der Nordhafen ist ein mit Wohnhäusern umbautes Wasserbassin, der Lehrter Bahnhof lediglich ein kursiv gedruckter Zusatz auf den Schildern der S-Bahn-Station im Hauptbahnhof, und das Flugfeld in Tempelhof hat sich zu einem öffentlichen Park mit Veranstaltungsbetrieb gewandelt. Die meisten Güterbahnhöfe sind zu öden Brachflächen im Stadtbild verkommen.
     
    DR. CHRISTIAN DIRKS
    (geb. 1971), Historiker und Ausstellungsmacher, Geschäftsführer von BERGZWO communications + concepts Berlin.
    BJOERN WEIGEL
    (geb. 1980), Wissenschaftlicher Koordinator des Berliner Themenjahres 2013 »Zerstörte Vielfalt – Berlin im Nationalsozialismus« bei der Kulturprojekte Berlin GmbH.

Resümee
    Worin unterschied sich die Berliner Arbeiterschaft von der in anderen deutschen Industriezentren? Angesichts des insgesamt defizitären Forschungsstandes kann eine Antwort auf diese Frage nur vorläufig sein. Allem Anschein nach waren die Differenzen nicht grundlegend. Ob die Dimensionen von Nonkonformität und offenem (politischem) Widerstand hier größer waren, man von Berlin mithin als einer »Hauptstadt des Widerstandes« (Peter Steinbach) sprechen kann, ist angesichts der dürftigen Forschungslage zum – ohnehin kaum quantifizierbaren – Resistenzverhalten unterschiedlichster Couleur schwer zu beurteilen. Offenbar waren die Differenzen eher graduell. Wichtig ist allerdings,
dass der Terror in der Reichshauptstadt ungleich exzessiver war. Die Zentralen der NS-Repressionsorgane, die hier ihren Sitz hatten, knüpften allem Anschein nach in der Reichshauptstadt ein dichteres Kontroll- und Überwachungsnetz als in anderen Großstädten. Zwar ließ das »Dickicht« der Millionenmetropole größere Räume für Nischen unterschiedlichster Nonkonformität. Dennoch wurden soziale Netze, wie sie sich in den Jahrzehnten bis 1933 in den von Arbeitern geprägten Milieus ausgebildet hatten, in Berlin offenbar nachhaltiger zerstört als anderswo. Unter den Angestellten hingegen erfuhr die NSDAP schon vor 1933 relativ große Zustimmung. Deren Zahl stieg danach noch deutlich an, da die meisten NS-Organisationen, darunter sämtliche Zentralämter und Reichsbetriebsgemeinschaften der Arbeitsfront, ihren Sitz in Berlin nahmen. Mit der DAF entstand ein riesiger Organisationskoloss, der bei Kriegsbeginn reichsweit doppelt so viele hauptamtliche Funktionäre zählte wie die NSDAP. 83 Die Zentralämter der DAF und die Gauwaltung Groß-Berlin der
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