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Bell ist der Nächste

Bell ist der Nächste

Titel: Bell ist der Nächste
Autoren: Harry Dolan
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Das war wohl die Sicherung. Er bediente den Verschluss, wie er es in allen möglichen Filmen gesehen hatte. Jetzt müsste eine Kugel im Patronenlager sein.
    Er stand übers Sofa gebeugt da und lauschte auf John Casterbridges Schnarchen. Die Hände des Mannes, faltig und voller Flecken, lagen auf seinem Bauch. An seinem Hals waren tiefe Furchen, er war schlecht rasiert.
    Nick zielte mit der Pistole mitten auf die Brust des alten Mannes. Er spürte, wie sich seine eigene Brust zusammenzog, ein Vibrieren, als würde Strom durch ihn hindurchfließen. Er hielt den Arm gerade ausgestreckt, aber die Waffe zitterte. Er sah auf und schloss die Augen, zwang seinen Arm, stillzuhalten.
    Als er die Augen wieder öffnete, entdeckte er den Spatzenkalender seines Vaters an der Wand hinter dem Sofa. Und er entdeckte sein eigenes Porträt in einem Rahmen daneben.
    Nicht hier, dachte er.
    John Casterbridge bewegte sich im Schlaf. Nick trat näher und stieß dem alten Mann die Mündung der Waffe in die Schulter.
    »Aufwachen«, sagte er.

    Ich nahm den Revolver mit, als wir auf der Suche nach Nick und dem Senator den Wald durchstreiften. Es war keine bewusste Entscheidung gewesen. Als wir aus dem Auto gestiegen waren, hatte ich die Waffe genommen und sie mir hinten in den Hosenbund gesteckt. Im Nachhinein wünsche ich mir manchmal, ich hätte sie zurückgelassen.
    In unmittelbarer Nähe der Hütte wimmelte es von Autos: der Wagen des Senators unter der Plane, der von Madelyn Turner, ein Streifenwagen der Michigan State Police. Letzterer war auf Hannagans Veranlassung da, denn Brimley besaß keine eigene Polizeiwache.
    Wir trafen mit Hannagan in der Nähe der Veranda zusammen, wo auch ein Sergeant der State Police wartete, ein junger Mann mit fuchsrotem Haar namens Cooper.
    »Die Tür war offen. Außer der Frau war niemand da«, sagte Cooper.
    »Wo ist sie jetzt?«, fragte Hannagan.
    Er deutete vage in eine Richtung. »Sie wollte mit irgendwelchen Nachbarn reden. Hören, ob die irgendetwas wissen. Es gibt keine Anzeichen für einen Kampf«, fügte er hinzu und blickte in die Hütte. »Man würde kaum darauf kommen, dass überhaupt jemand hier gewohnt hat. Stimmt es, dass John Casterbridge hier gewohnt hat?«
    Hannagan sah Elizabeth an. »Es stimmt«, sagte sie.
    »Und der Pick-up unten an der Straße«, sagte Sergeant Cooper. »Den hat der Sohn der Frau gefahren?«
    Elizabeth nickte.
    »Dann sind Sie zu Recht besorgt«, sagte Cooper. »Das habe ich nämlich im Pick-up gefunden.« Er trat ins Haus und holte etwas, das sich direkt hinter der Tür befand. Ich erkannte Sam Tillmans Pistolengurt sofort. Der Halfter war leer.
    In diesem Moment kam Madelyn Turner von den Nachbarn zurück, die allerdings nichts Ungewöhnliches gesehen oder gehört hatten. »Es war so weit eine ruhige Nacht«, sagte sie. »Kein Geschrei, kein Lärm– das hätten sie sonst gehört.«
    »Das hätten sie sonst gehört«, sagte sie noch einmal mit vor Angst geweiteten Augen. »Kein Lärm. Das muss doch ein gutes Zeichen sein.«
    Lärm. Sie brachte es nicht fertig, von »Schüssen« zu sprechen.
    Hannagan sprach beruhigend auf sie ein. »Das ist schon mal gut. Und haben Sie irgendeine Idee, wo Ihr Sohn sein könnte? Gibt es einen Ort in der Nähe, den er gerne aufsucht?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Er stromert beinahe seit er laufen kann in diesen Wäldern herum. Er kennt alle Wege.«
    Sie blickte sich um, als gäbe es irgendwelche Fußspuren, denen sie folgen könnte. Schließlich zeigte sie vage in eine Richtung. »Wenn man hier ein gutes Stück durch den Wald geht, stößt man auf einen See.«
    »Sie glauben, er könnte zu dem See gegangen sein?«
    »Ich weiß es nicht.« Madelyns Kopf schwang hin und her. »Ich kann nicht – ich muss ihn suchen.«
    Hannagan berührte sie an der Schulter. »Ma’am, Sie sollten hierbleiben, falls er zurückkommt. Wir werden nach ihm suchen. Ich werde ein paar Anrufe machen, mehr Leute anfordern. Wir werden ihn finden.«
    Ich wartete Madelyns Reaktion darauf nicht mehr ab, sondern ging rasch zurück zum Wagen. Ich griff nach der Taschenlampe, die ich bei Delacortes Haus benutzt hatte, und fand im Kofferraum noch eine zweite.
    Elizabeth kam zu mir, und ich reichte ihr eine der Taschenlampen. »Wir warten hier nicht, bis er seine Suchaktion organisiert hat, oder?«, sagte ich und machte eine Kopfbewegung Richtung Hannagan.
    »Nein«, sagte sie.
    Elizabeth und ich bahnten uns den Weg zwischen den Bäumen hindurch. Bald stießen wir
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