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Bel Ami

Bel Ami

Titel: Bel Ami
Autoren: Detlef Uhlmann
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Bahnsteig, auf dem es abging. Niemand schien mehr Zeit zu haben, alle wollten nur was erledigen. Kam ich in das Alter, in dem man rührselig wurde und von den guten alten Zeiten sprach? Reiß dich zusammen, befahl ich mir und nahm Geld aus der Kasse, um Sylvie zu bezahlen.
    »Hey, wo kommen denn die her?«
    Sylvies Anblick trug nicht dazu bei, meine Stimmung zu heben. Sie starrte verwundert auf die Scheine, die ich ihr in die Hand gedrückt hatte.
    »Hast du dir im Schlaf verdient!«, meinte ich stolz.
    Sie schaute mich an und sah auf keinen Fall glücklich aus. Blöde Kuh! War doch leicht verdientes Geld gewesen! Simone, die Gott sei Dank heute ausgeholfen hatte, kam hinzu und legte ihren Arm um Sylvie. Die fing jetzt auch noch an zu flennen. Meine Frau hörte ihr fassungslos zu. Am Ende schauten mich beide an, und ich versuchte gar nicht erst, ihren Gesichtsausdruck zu deuten.
    In den nächsten Monaten setzte sich der Trend fort. Nur noch selten ein Gast, der die Puppen tanzen ließ. Die meisten Männer hielten sich an ihrem Bier fest und starrten meine Mädchen an, als würde sie das schon zur Ejakulation bringen. Vielleicht hätte ich fürs Glotzen auch kassieren sollen? Sylvie hatte gekündigt. Simone redete nur noch das Nötigste mit mir. Jetzt hatte ich also zwei Frauen, die schwiegen, denn auch Mey verlor nicht viele Worte und fand es nach wie vor besser, zu lächeln. Aber ich brauchte jetzt jemanden, mit dem ich reden konnte. Ich versuchte, Hartmut zu erreichen. Sein Anrufbeantworter versicherte freundlich in Deutsch, Englisch und Italienisch, dass er zwar nicht da, aber froh über eine Nachricht wäre. Der Aufforderung, jetzt zu sprechen, kam ich nicht nach und legte auf. Musste ich mir eben selbst helfen.
    Erst ließ ich meine Mädchen allein ausschwärmen, aber als sie immer wieder ohne einen Mann im Schlepptau auftauchten, schnappte ich mir zwei von ihnen und machte mich wie früher selbst auf die Socken. Aber sie hatten recht. Kaum Beute zu machen. Die Messe war vorbei. Mittlerweile hätte ich mich sogar über einen Italiener gefreut. Ich lief durch die Stadt und fragte mich, warum die Männer plötzlich alle zu Hause blieben. Hatten sie ihre Ehefrauen zum Vögeln umgedreht oder machten sie beim Sex einfach die Augen zu?
    Als Nächstes feuerte ich meinen Steuerberater. Der Kerl steckte mit Simone offensichtlich unter einer Decke, redete von Wirtschaftskrise, meckerte an meinem Lebensstil herum und missgönnte mir meinen SL.
    »Wo warst du denn?«, fragte ich vorwurfsvoll. Oh Gott, ich klang schon wie Simone.
    Überrascht schaute Hartmut hoch und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Mann, du bist ja total angespannt! Ist es so schlimm?«
    Unaufgefordert begann die hübsche Dame auf der Bank hinter mir, meine Schultern zu massieren. Mir war heiß. Ich griff nach meinem Handtuch und beendete den Saunagang vorzeitig. Im Pool vor der Saunahütte amüsierten sich zwei Damen und lachten laut. Instinktiv zog ich mich in den Whirlpool zurück und lauschte dem blubbernden Wasser. Am Beckenrand stand ein herrenloses Glas, das ich bedenkenlos leerte. Weißer Dampf stieg vom leuchtenden Pool in den Nachthimmel hinauf, an dem ein Vollmond stand, der mich an eine längst vergangene Nacht im Internat erinnerte. Damals hatte ich mir überhaupt keine Sorgen gemacht, alles war leicht und einfach gewesen.
    »Ich glaub, das war meins!«
    Ich öffnete die Augen. Völlig nackt und in eine dichte Dampfwolke gehüllt, stand Hartmut vor mir und zeigte auf das leere Glas in meiner Hand.
    »Na, was soll’s!« Kurz entschlossen holte er die Flasche vom Tisch und nahm sie mit in den Pool.
    »Also, was ist los, Großer? Siehst ja schon aus wie alle hier. Ganz verzagt. Wo ist dein Problem? Warte, lass mich raten: Entweder das Geld oder die Frauen, stimmt’s?«
    Hartmut trank einen Schluck aus der Flasche und reichte sie an mich weiter.
    »Ist doch das Gleiche, Hartmut.«
    Sollte ich mich ihm wirklich anvertrauen? Ich lag in seinem Pool, trank seinen Wein und bediente mich seiner Frauen. Da konnte ich ihm doch unmöglich sagen, dass mir die Pleite drohte, wenn nicht bald ein Wunder geschah.
    »Irgendwie ist es nicht mehr wie früher«, resümierte ich tiefsinnig.
    Hartmut schaute mich an, rülpste und fing an zu grienen.
    »Detlef«, rief er amüsiert aus, »du hast ja ’ne Midlife-Krise!«
    Darauf fiel mir nichts ein. Also schwieg ich.
    »Pass auf, Großer. Du musst hier einfach mal raus!« Hartmut freute sich über seinen
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