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Bel Ami

Bel Ami

Titel: Bel Ami
Autoren: Detlef Uhlmann
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herum, selbst ihre Mutter glaubte, sich als Haushälterin nützlich machen zu müssen – und allen schien ich Rechenschaft ablegen zu müssen.
    Ich schloss die Augen, holte tief Luft und spürte den frischen Wind in der Nase. Mein Hals wurde frei und mein Kopf wieder klar. Klick, klick, klick. Ganz deutlich spürte ich die eisernen Ringe zerspringen, an denen ich fast erstickt wäre.
    »Gutes Zeug!« Hartmut nickte anerkennend. Wie kühles Öl breitete sich Klarheit in Rachen, Hals und Stirn und schließlich in jedem verstaubten Winkel meines Gehirns aus. Es wurde Licht. Ich ließ fünf Minuten verstreichen, bevor auch ich die Toilette verließ und mich zu Hartmut an den Tisch setzte.
    »Na, dann erzähl mir mal vom Vögelchen!«
    »Das da gezwitschert hat?«
    »Hat es einen Namen?«
    »Mariella!«
    »Klingt wie eine Pflaume!«
    »Die hat sie vielleicht, ist aber keine!«
    »Sie isst keine Pflaumen?«
    Die Vorstellung eines früchteverschmähenden Piepmatzes erheiterte mich und zog meinen Mund von einem Ohr zum anderen in die Breite.
    Hartmut grinste zurück, schüttelte den Kopf, und ich sah kleine Schuppen wie Silberstaub aufstieben.
    »Mal im Ernst, Detlef. Blickst du noch durch?«
    »Wie durch Glas! Lupenrein! Geputzt!«
    »Du weißt, wer Mariella ist, oder?«
    »Mann, Hartmut, du müsstest dich mal sehen. Siehst aus wie so’n Quäker. Ganz verkniffen und ohne jeden Witz. Fehlt nur noch der Hut.«
    »Detlef, ich bin kein Quäker, ich hab dich gefragt …«
    »Ich weiß, was du gefragt hast. Und natürlich kenne ich Mariella. Hab sie schließlich selber rangeschleppt. Pfiffiges Mädchen mit hübschen Titten. Und die hat dir also was gezwitschert, was dich zum Quäker gemacht hat, ja?«
    Hartmut unterdrückte ein Kichern. Na, geht doch, dachte ich beruhigt.
    »Jürgen hat ihr ’ne Provision abgeknöpft!«
    »Was?« Augenblicklich war jede Heiterkeit verflogen.
    »Er hat was?«
    »Er hat ihr …«
    »Ich hab gehört, was du gesagt hast. Bin ja nicht taub«, brüllte ich. Ein paar Gäste dieses piekfeinen, französischen Roh-Kotz-Ladens warfen uns pikierte Blicke zu. Ich beherrschte mich nur mühsam und zischte:
    »Der Jürgen, ja? Simones Scheißvater?«
    Hartmut nickte. Er legte seine Hand auf meine, und ich starrte auf die schwarzen Haare, die darauf wuchsen. Plötzlich wusste ich, wie viele es waren: Neun!
    »Das meinte ich vorhin, Großer. Du bist zu gutmütig. Erst holst du unter Lebensgefahr die Kleine aus Dunkeldeutschland und verhilfst ihr zu einem Leben, von dem die meisten nicht zu träumen wagen. Dann holst du auch noch ihre ganze Familie rüber und verschaffst ihnen Arbeit. Hat dir je einer seine Dankbarkeit gezeigt? Nee, im Gegenteil. Die lachen sich krank über dich, wenn du nicht da bist. Merkst du nicht, wie die dich langsam aussaugen? Wo wären die denn alle ohne dich?«
    Ich konnte spüren, wie mein Herz riesige Mengen Blut durch meine Venen presste.
    »Was hat er ihr angeboten?«
    »Jede zweite Flasche schwarz und der Gewinn geteilt!«
    Ich schloss die Augen. Rot, alles war rot, blutrotes Rauschen.
     
    Sie schrie, sie weinte, sie flehte. Mein Herz war ein Stein. Sie hatten mir das angetan, hatten dieses Monster selbst erschaffen. Sie und ihr Vater.
    »Halt den Mund, Simone, und steh wieder auf! Du hast gehört, was ich gesagt habe, und ich sage es noch einmal: Er ist entlassen, fristlos, und ich will ihn nie wieder im Bel Ami sehen!«
    »Du bist verrückt, völlig verrückt geworden, Detlef. Du wirfst meinen Vater aufgrund einer Behauptung raus, die über zwei Ecken kommt? Fristlos? Und hörst dir noch nicht mal seine Version an?«
    »Ich habe selber mit Mariella gesprochen, und es ist alles genau so, wie Hartmut es gesagt hat.«
    »Hartmut, Hartmut, Hartmut … ich kann diesen Namen nicht mehr hören. Detlef, bitte, du hörst auf die Falschen!«
    »Du bist hässlich, wenn du heulst, weißt du das?«
    Schlagartig war Ruhe. Simone wischte sich mit dem Ärmel ihrer Seidenbluse den Rotz von der Nase und schaute mich an.
    »Du bist so ein Schwein. Und du bist dumm, so dumm, dass du dich auch noch für schlau hältst. Glaubst einer durchgeknallten Nutte, die du seit zwei Wochen kennst, mehr, als einem Mann, der schon seit Jahren für dich arbeitet. Und du hörst dir noch nicht mal an, was er zu sagen hat. So bescheuert kann doch keiner sein.«
    »Es reicht, sag ich dir! H a l t d e i n e n M u n d!«
    Ich stand vor ihr und wollte sie schlagen. Ich grub die Fingernägel in meine Handflächen und
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