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Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Alex Gilvarry
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Stadt. Der ganze Dreck. Der Smog. Ich habe ganz grässliche Haut bekommen.«
    »Sie sehen toll aus.«
    »Danke, Sie sind zu freundlich.«
    Er erzählte mir, dass er seit einiger Zeit nicht mehr richtig schlafen könne. Selbst die Tabletten, die er jetzt regelmäßig nahm, ließen ihn nur zwei bis drei Stunden wegdämmern. In der Woche zuvor war er einmal drei Tage am Stück wach gewesen und hatte darüber nachgedacht, sich einweisen zu lassen.
    »Wir sollten lieber nicht hierbleiben«, sagte er. »Lassen Sie uns zahlen und woanders hingehen.«
    Er schlug vor, dass wir in einen Club fuhren, wo seine Freundin, Star Von Trump, an diesem Abend auftreten sollte. Sie war eine Transgender-Sängerin, die in vielen der beliebten Karaoke-Clubs Manilas regelmäßig scharenweise Fans anzog.
    Ich zahlte, und wir nahmen ein Taxi nach Fort Bonifacio. Der Stadtteil ist nach dem dortigen Militärstützpunkt benannt (vormals Fort McKinley, bis 1949 eine US-Einrichtung). Im Taxi nahm Boy seine Sonnenbrille ab. Es begann zu dämmern. Die frühen Abende in Manila waren wie aus einer anderen Welt; durch den Smog entstand ein glühender, fast radioaktiver Sonnenuntergang.
    Boy gab dem Fahrer Anweisungen auf Tagalog, und einen Augenblick wusste ich nicht, was passierte. Der Fahrer schien ihn zu ignorieren, bis Boy schließlich laut wurde.
    »Was haben Sie gesagt?«, fragte ich, als wir losgefahren waren.
    »Ich habe ihn einen Idioten genannt.«
    »Warum?«
    »Er hat angefangen. Er ist ein homophobes Arschloch. Bist du doch, oder? «, zischte er den Fahrer an.
    »Er hat mich proboziert, Sir«, erklärte der Fahrer höflich. »Er hat mich proboziert.«
    »Ach, halt die Klappe«, erwiderte Boy. »Guck auf die Straße und fahr.«
    Der Fahrer befolgte die Anweisung. Der Streit war beigelegt. Der Rosenkranz am Rückspiegel schwang hin und her, als wir auf den Highway auffuhren. Ich wollte meinen Gurt anlegen, aber das eine Ende fehlte.
    »Jesus ist der Retter.«
    »Bitte?«, hakte ich nach.
    »Jesus ist der Retter«, wiederholte Boy und zeigte auf die Werbung einer Megakirche auf der Rückseite des Fahrersitzes zwischen einer Reebok-Anzeige und dem spektakulären Foto eines fliegenden Michael Jordan, das nichts weiter bewarb.
    Boy lehnte sich zurück und nahm die Perücke ab. Sein Haar war kurz, und mir fiel auf, wie dünn es geworden war.Um die angespannte Atmosphäre im Wagen etwas zu lockern, fragte ich ihn nach einigen der Designer, die wir beide kannten. Bei dem Thema lebte Boy gleich richtig auf. Er war ein ganz anderer Mensch, wenn man mit ihm über Mode sprach. Der Erfolg von Vivienne Chos Parfumlinie hatte ihn überrascht. »Es ist echt ziemlich gut«, gab er zu. »Sie verkaufen es sogar hier im Duty Free.« Er gestand, dass er Von Trump ein Fläschchen geschenkt hatte. Ich erzählte ihm, dass Vivienne plante, in Singapur und Tokio mehrere neue Läden zu eröffnen.
    Als das Gespräch auf Boys ehemaligen Kommilitonen Philip Tang kam, der ihm in New York so sehr geholfen hatte, schüttelte Boy nur den Kopf. Er war verärgert wegen einer angeblichen Aussage Tangs, die die Regenbogenpresse abgedruckt hatte. »Ach, mein Schönwetter-Freund. Von denen habe ich so viele.«
    Während der Fahrt zum Club zeigte mir Boy, wo er wohnte: in einem Luxusapartmentkomplex namens Manhattan City, einem kleinen Nachbau von Midtown Manhattan im Herzen von Fort Bonifacio. Manhattan City besteht aus fünf Gebäuden, keins höher als dreißig Stockwerke, und jedes einem anderen New Yorker Wolkenkratzer nachempfunden. Boys Mietwohnung befand sich im höchsten Gebäude, einem Mini-Empire-State-Building. Außerdem gab es ein kleines Chrysler Building, eine nachgebaute Rockefeller Plaza und sogar ein MetLife Building, das sich über einem detailverliebten und reich verzierten Grand Central Terminal erhob (einem echten kleinen Bahnhof und Busbahnhof, der GCT hieß). Wenn man vom Highway aus nach Fort Bonifacio hineinfuhr, tauchte wie eine Fata Morgana diese Manhattan-Skyline auf, wie sie Boy vielleicht auch an seinem ersten Tag in Amerika gesehen hatte.
    Er holte eine andere Perücke aus der Tasche und gab zu,dass er sich aus Von Trumps Garderobe bedient hatte. »Wenn ich aus dem Haus gehe, leihe ich mir Sachen von ihr. Komisch, da mache ich mein halbes Leben lang Damenmode und kann mich trotzdem nicht daran gewöhnen, sie anzuziehen.«
    »Hatten Sie das Gefühl, sich verkleiden zu müssen, als Sie nach Hause kamen?«
    »Nein. Erst später, als ich schon eine Weile
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