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Beim ersten Om wird alles anders

Titel: Beim ersten Om wird alles anders
Autoren: Rainer Dresen
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eine Perspektive.
    Freundlicherweise spricht mich Nadine beim Rausgehen nicht direkt auf meine Schwierigkeiten bei der Übungsausführung an, sondern macht das viel dezenter. Wenn ich wolle, so ihr Angebot, könne ich bei ihr einmal eine ICP buchen. Meine Nachfrage, was denn das sei, ergibt, dass es sich dabei um eine sogenannte „In Class Private“handelt. Eine kostenpflichtige persönliche Betreuung
während des eigentlichen Gruppenkurses, bei der neben dem Kursleiter, der für alle da ist, ein zweiter Yoga-Lehrer nur für einen bestimmten Schüler zuständig ist und diesen bei jeder Ausführung der aufgetragenen Übungen individuell betreuen und anleiten wird. Offenbar habe ich das dringend nötig. Clevere Leute, diese Yoga-Lehrer. Gnadenlos clever. Besonders die Frauen, die sich, so scheint es, von ebenso gnadenlosen Lehrern willenlos-gedemütigte Opfer zutreiben lassen.

Nackt-Yoga in Berlin
    Mein Assistent Jens geht gerne dahin, wo es wehtut. Als begeisterter Surfer schreckt ihn nichts. Er wagt sich in die Eisbachwelle, das Wahrzeichen des weltweit bekannten Surfreviers mitten in München mit seiner tückischen Strömung und dem, wie es der Name zurecht vermuten lässt, eiskalten Gebirgswasser. Mit großer Tapferkeit hat er, allerdings nach Dienstschluss im menschenleeren Gebäude, Plakate für eine Ralf-Bauer-Veranstaltung im Verlag geklebt und auf meinen Wunsch hin sogar einen Yoga-Einsteigerkurs besucht.
    Dieses Mal aber ist es selbst ihm zu viel. „Chef, wenn du das von mir verlangst, dann will ich nicht mehr länger dein Assi sein. Dann bin ich weg. Ich kündige und werde
Surflehrer auf Bali.“„Ist ja gut, Jens, dann eben nicht, gehe ich halt selber hin.“Und dabei dachte ich, dass ich ihm mit meiner Bitte eine Freude machen könnte. Ich hatte ihn nur gefragt, ob er eine besonders abgefahrene Yoga-Methode ausprobieren möchte und mir dann berichtet, wie es so war. Er sollte zum Nackt-Yoga gehen.

    Wenn Jens sich partout weigert, muss ich eben selber ran, manchmal muss man als Autor auch Risiken eingehen, hier das Risiko, sich noch mehr als sonst zu blamieren. Also beschließe ich, ein Nackt-Yoga-Studio in Berlin zu besuchen. Zur Einstimmung lese ich sorgfältig die Ratschläge, die der Anbieter dieser besonderen Spielart des Yogas Interessenten gibt. Auf seiner Homepage gibt es nicht nur ein hinreißend komisches Video, das ihn nackt auf einem blauen Podest und bei ein paar Übungen zeigt. Auf seiner Seite äußert er auch die Auffassung, dass wir uns „ohne einengende Hüllen völlig frei fühlen und uns dabei ganz auf uns selbst konzentrieren können.“
    Ein paar Fragen, die er öfter beantworten muss, hat er gleich auf seine Homepage geschrieben. Eine der offenbar drängenderen lautet doch tatsächlich: „Was ist, wenn ich eine Erektion bekomme?“Kein Problem, meint der Lehrer. Eine Erektion gehört, seiner Meinung nach, nicht nur zum Mannsein dazu, er hat auch Verständnis dafür, dass das „in einigen Situationen eher unangenehm“sein kann, beruhigt aber mit dem Hinweis, dass die von ihm gelehrte Yoga-Form „körperlich so herausfordernd“sei, dass man das Erreichen einer Erektion eigentlich ausschließen könne. Und für die Pechvögel, denen „es“dann trotzdem passiert, hat er Trost parat: „Falls es doch sein sollte, was soll’s … Jeder ist mit sich selbst und den Übungen beschäftigt. “

    Solcherart vorbereitet beschließe ich, bei einem meiner nächsten Aufenthalte in Berlin auch dem Nackt-Yoga-Studio, das übrigens fast die ganze Woche reguläre, also angezogen zu absolvierende Kurse anbietet, einen Besuch abzustatten. Auch wenn ich aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen mit Männern einerseits und Yoga andererseits nahezu sicher ausschließen kann, dass deren Kombination, also der Anblick von nackten Männern in Yoga-Haltung zu einem Erektionsproblem führen könnte, lasse ich mich doch mit gemischten Gefühlen von meinem Autonavigationssystem zu dem auf der Homepage angegebenen Ort leiten. Wie ein Bankräuber, der sich unauffällig dem Tatort nähern und dann nach getaner Arbeit rasch und unerkannt verschwinden will, umrunde ich mehrmals zu Erkundungszwecken den Block, in dem die Adresse liegt. Es handelt sich um eine Straße in Schöneberg mit zahlreichen Restaurants. Kurz vor 20 Uhr ist sie sehr belebt, ich habe keine Chance, mich unbemerkt zu nähern oder nach dem Kurs wieder zu entfernen.Vor allem wenn ich, anders als der Bankräuber, der Strumpfmaske und Tatwaffe
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