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Bei Anruf - Angst

Bei Anruf - Angst

Titel: Bei Anruf - Angst
Autoren: Stefan Wolf
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ohne das nichts ginge — sind die Mönche. Und zwar drei. Genau
drei. Nur drei Silenti. Nur diese drei kennen das Rezept der 155 Kräuter. Es
ist so kompliziert und raffiniert, dass man es nicht analysieren kann. Schnapsfabrikanten
in aller Welt haben es versucht — immer wieder. Aber ohne Erfolg.“
    „Nur drei mönchische Schweiger
wissen Bescheid?“
    „Nur drei.“
    „Keine schriftlichen
Aufzeichnungen?“
    „Gibt es nicht, Adolf.“
    „Irre!“
    „Aber erfolgreich. Nun schon
seit Beginn der Fabrikation, seit mehr als 200 Jahren. Heute gibt es weltweit
nur 600 Silenti-Ordensbrüder, verteilt auf 24 Klöster. Wenn du so willst, sind
die alle stinkreich, obwohl sie davon keinen Gebrauch machen und Geld ihnen
wurscht ist. Wahrscheinlich spenden sie es nach Rom oder in die Dritte Welt.
Egal! Hier in St. Amarusetta wird in der Destillation der gesamte Amarusetto-Schnaps
produziert und in alle Welt vertrieben — in die nobelsten Restaurants. 1,2
Millionen Liter sind das. Und nur die drei Mönche wissen, wie das geht. Nur sie
haben das Rezept im Kopf. Denn es wird nur mündlich weiter vererbt.“
    „Mündlich?“

    „Beten dürfen sie laut. Und — wenn
der Tod naht — das Rezept erklären. Keine Regel ohne Ausnahme, Adolf.“
    „Echt irre Methode.“
    Die Kellnerin hatte die nächste
Runde serviert. Beide süffelten und auch für Adolf schmeckte der grüne Amarusetto
jetzt viel interessanter. Ja! Da steckten 400 Jahre Geschichte drin — kräuterschnäpsliche
Tiroler Landesgeschichte.
    „Du ahnst, worauf ich hinaus
will?“ Dietmar grinste so fett, dass die Sommersprossen auf seinem Gesicht neue
Formen annahmen.
    „Nee.“
    „Wir werden uns das Rezept
besorgen.“
    Adolf starrte ihn an. „Willst
du die drei Mönche bestechen?“
    „Die sind unbestechlich. Nein!
Wir gehen härter vor. Wir gebrauchen Gewalt. Kidnappen werden wir die drei.
Dann setzen wir ihnen zu. Wenn’s sein muss mit Folter. Jedes der 155 Kräutlein
werden sie uns verraten — und wie man sie zusammenstellt, mischt, destilliert.
Dieses Rezept verkaufen wir dann für eine Million Euros. Und weißt du, an wen?“
    Adolf schien es zu ahnen, denn
über sein Bleichgesicht zog sich ein Grinsen. Und in jäher Begeisterung riss er
sich endlich die Mütze vom Kopf.

3. Ivoritzkis Alibi
     
    Als TKKG das Funkhaus
verließen, war der Abend noch kälter geworden: ungemütlich in allen Winkeln der
Stadt. Tim fror zwar nicht, war aber fürsorglich und zog Gaby die Kapuze ihrer
Windjacke über die blonde Mähne, was ihm gestattet wurde — allerdings mit einem
Ich-kann-das-auch-selber-Seufzen. Gaby pustete etwas abgefälscht gegen ihre
Ponyfransen, nämlich Tim voll ins Gesicht. Er blinzelte.
    „Du hast den typischen Atem
einer Sorgofon-Beraterin, Pfote.“
    „Klar doch! Zum Abendessen
hatte ich ein Zwiebelbrot.“
    „Das wiederum rieche ich nicht.“
    Karl grinste. Klößchen sagte,
er hätte ‘ne Idee gehabt, die er aber nun nicht mehr so gut fände — angesichts
der sich anbahnenden Situation.
    „Ich wollte Gaby nämlich mit
verstellter Stimme anrufen und sagen, ich hätte meiner Oma das Portmonee geklaut
mit ‘nem Tausender. Den hätte ich gleich ausgegeben für Designer-Klamotten und
milde Drogen. Aber nun würden mich die Gewissensbisse zerfleischen und ich bäte
um Rat. Was hättest du mir dann empfohlen, Gaby?“
    Tims Freundin blitzte ihn an. „Erstens
hätte ich dich an der Stimme erkannt. Zweitens gibt es keine milden Drogen — oder
meinst du Kamillentee? Drittens habe ich jetzt keine Zeit für ausführliche
Seelenbetreuung. Wir müssen die Vollwaise retten.“
    Tim hatte schon ein scharfes
Tempo angeschlagen und zog Gaby an der Hand. TKKG stiefelten los, dass die
Sohlen hallten. Die Straßen waren leer, die Fenster erleuchtet. Der Turm von
St. Kajetan ragte in den Nachthimmel. Tim überlegte. Klößchens Ulkidee ließ ihn
für einen Moment erwägen, ob etwa der Anruf der Vollwaise auch ein
geschmackloser Spaß sei — ein verfrühter Aprilscherz. Was das Mädchen als Sache
einbrachte, klang wüst: Vollwaise, älteren Bruder als Schleuser — als
Menschenschmuggler, dessen Komplizen als Aufpasser, geplantes Verbrechen in
Tirol, das mit Likör zu tun habe. Wirklich wüst! Aber die Stimme des Mädchens
hatte echt verzweifelt geklungen. Wie in schlimmster seelischer Not. Nein!,
dachte er. Das ist keine Veralberung. Das ist ein echter, brandheißer Fall.
    Sturmschritt. Die
Nikolai-Straße. Jetzt erreichten sie die Passage, wo’s
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