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Begegnungen Januar (German Edition)

Begegnungen Januar (German Edition)

Titel: Begegnungen Januar (German Edition)
Autoren: Ana Hofmann
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blieb.... nichts.
Sie ging nach Hause, legte sich in ihr Bett und wälzte sich
ruhelos umher. Als sie am nächsten Morgen aufstand, hatte
sie einen Plan. Sie hatte nicht nichts. Sie hatte Berlin.
Sie würde gehen, allein. Ein neues Jahr und ein neuer
Anfang. Ein Jahr, hatte er gesagt, gib dir ein Jahr und lebe
ein wenig. Und das wollte sie tun. Sie wollte in dem Jahr
tun, was alle jungen Frauen taten, bevor sie sich
niederließen. Sie wollte sich Männer anprobieren, keinen
Freund, aber einen Mann. Einen? Nein, nicht nur einen. Sie
würde sich jeden Monat einen Neuen suchen. Berlin war eine
große Stadt, irgend jemand würde immer ein Bedürfnis nach
einer niedlichen Frau haben, oder? Sie würde schon
herausfinden, ob sie etwas verpasst hatte.
Und in einem Jahr? Sie konnte schon förmlich sehen, wie sie
sich in die Arme fallen würden. Sie und Henrik. An
Silvester. In einem Jahr...
Januar
    Sie schaute an der Backsteinfassade hinauf. Das war es also,
ihr neues Heim für das nächste Jahr. Ihr war es etwas mulmig
in der Bauchgegend. Sie hatte die Wohnung ungesehen von
einem dubios klingenden Makler genommen, der sie ihr am
Telefon in den blumigsten Worten beschrieben hatte. Sie
könne damit gar nichts falsch machen, hatte er gesagt, eine
herrliche kleine Altbauwohnung in Wilmersdorf zu dem Preis
würde sie so nie wieder finden, hatte er gesagt. Sie beäugte
argwöhnisch die vergilbte Fassade, nahm Notiz von dem
abblätternden Putz, aber auch von den riesigen geschwungenen
Fenstern. Ein bisschen Farbe und sie wäre „good to go“,
hatte er gesagt. Na sie würde ja sehen. Vorsichtig um ja
nicht in die dreihundert Hundehaufen zu treten, die den
nächsten Baum flächendeckend in einem Radius von mindestens
einem halben Meter umgaben, schlängelte sie sich zu ihrem
kleinen Auto, schulterte Rucksack und einen Müllbeutel, den
sie in Ermangelung ausreichenden Kofferplatzes mitgebracht
hatte, und klingelte im Erdgeschoss.
„Häh?“, brummte es da verschlafen aus der knatternden
Sprechanlage.
„Ähm... ja... Hallo. Der Makler hatte gesagt, ich könnte
meinen Schlüssel bei Ihnen abholen.“
„Häh?“
Sie versuchte möglichst laut und deutlich zu sprechen:
„Meinen Schlüssel? Für die Wohnung unterm Dach?“
„Häh?“
Dann knackte es in der Leitung. Unschlüssig stand sie davor.
Sollte sie nochmal klingeln? Aber im Treppenhaus begann es
bereits zu poltern und durch die milchige Scheibe konnte sie
einen Umriss ausmachen, der langsam und schwankend die
Treppe herunterkam.
„Häh?“, fragte ein wuscheliger Kopf, der sich verschlafen
aus dem Türschlitz steckte.
„Schlüssel? Wohnung?“, fragte sie noch einmal.
Der junge Mann versteifte sich, rieb sich seine noch halb
geschlossenen Augen und sah sie an. Dann lächelte er. Seine
Vorderzähne wiesen eine kleine Lücke auf, die seinem
eigentlich unscheinbar zu nennendem Gesicht plötzlich
einiges an Charakter verliehen.
„Hi.“, stammelte er. Dann schlug er sich an die Stirn. „Ja
klar, der Schlüssel. Komm rein.“
„Hab ich dich geweckt?“, fragte sie verlegen, als sie ihm
die Stufen hinauf folgte und versuchte, nicht auf seine
männlich behaarten Beine zu starren. Es waren gute Beine,
stark wie Baumstämme und es war ein schöner Anblick, ihr
Muskelspiel zu beobachten, während sie ungesehen und
unbemerkt ihre Arbeit verrichteten. Naja, vielleicht nicht
ungesehen! Angestrengt schaute sie lieber auf ihre eigenen
Füße.
„Wie spät ist es?“, fragte er mit einem Augenzwinkern und
versuchte sie dabei über der Schulter mit möglichst wachen
Augen anzulächeln.
„Zehn!“
„Scheiße! So früh?“
„Früh? Wirklich?“
„Früh, wenn man bis Nachts um zwei gearbeitet und danach
noch für eine Prüfung gelernt hat. Definitiv früh! Aber es
gibt schlechtere Arten, geweckt zu werden, nicht wahr?“
„Vielleicht durch einen Bombenangriff.“, lamentierte sie.
Er hielt kurz inne.
„Oder Hundegebell... Bauarbeiter... oder meiner Mutter!“,
grinste er.
Er kramte hinter der Tür nach dem Schlüssel.
„Komm, ich bring dich rauf. Will ja auch mal das
Schmuckstück sehen, das dir der Müller da angedreht hat.“
„So?“, fragte sie pikiert nach einem schnellen Blick auf die
Gänsehaut, die sich inzwischen auf den Baumstämmen
ausgebreitet hatte.
Er zuckte mit den Schultern.
„Hm... wart mal einen Moment.“
Und wenige Augenblicke später war der stachelige Flaum unter
einer ausgebeulten Jogginghose verschwunden.
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