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Begegnungen Januar (German Edition)

Begegnungen Januar (German Edition)

Titel: Begegnungen Januar (German Edition)
Autoren: Ana Hofmann
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war verletzt, er wollte
sie nicht gehen lassen und ganz sicher wollte er sie keinem
anderen überlassen. Es war, als wollte er ihren Körper
markieren, ihn zur völligen Erschöpfung bringen und ihr
dabei gleichzeitig zeigen, was er mit ihr tun konnte. Es war
zum verrückt werden.
Sie zog ihre Knie an und setzte sich im Schneidersitz vor
ihn.
„Du hast es von Anfang an gewusst. Du hast gesagt, du
könntest das. Mein Freund sein für zwei Wochen. Nicht mehr.“
Er verschränkte beleidigt die Arme vor seiner Brust.
„Jetzt ist es eben anders. Tut es dir denn nicht leid? Dass
es zu Ende sein muss.“
Behutsam näherte sie sich seinem Körper und legte ihre Hand
an seine stoppelige Wange.
„Doch.“, sagte sie leise, aber mit Würde. „Aber so war der
Plan.“
Er schob ihre Hand von sich.
„Scheiß auf deinen Plan. Dein Plan ist für den Müll, es ist
verrückt. Weißt du eigentlich, was hier in Berlin für
Perverse herumlaufen? Hast du denn gar keine Angst?“
„Nein.“
„Dann bist du dumm.“
Sie sah, dass er seine Worte in dem Augenblick bereute, als
sie seinen Mund verlassen hatten. Aber gesagt war gesagt und
eine ungeheure Wut machte sich in ihr breit. Hatte ihr ihre
Nacktheit vorher nichts ausgemacht, so fühlte sie nun die
Verletzlichkeit, der sie preisgegeben war. Sie hasste es,
dass er sie jetzt so sehen konnte, hasste ihn dafür, dass er
sie so ansah. Herausfordernd, schamlos.
„Du blöder...“
Sie konnte gar nicht aussprechen, was sie fühlte. Statt
dessen krallte sie sich ihr Kissen und hieb damit auf ihn
ein. Schützend legte er seine Hände vor sein Gesicht, nicht
bereit, mehr als das zu seiner Verteidigung beizutragen. Er
erhob sich vom Bett, strauchelte und griff blind nach seinen
Sachen.
„Raus hier!“, brüllte sie ihn an. „Raus!“
Und er kam ihrer Bitte nach und das Knallen der Tür
erschütterte sie bis ins Mark.
Sie heulte. Vor Ärger und ein bisschen später vor Scham. Und
als sie dann in ihrem Bett lag, das erste Mal allein, da
heulte sie noch ein bisschen mehr. Diesmal vor Reue und auch
ein kleines bisschen Einsamkeit.
Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Was hatte er sich
gedacht? Sie hatte es in seinen Augen gesehen, dass es für
ihn kein Spiel mehr war. Hatte es schon vor Tagen bemerkt.
Aber getan hatte sie nichts. Weil sie ihn nicht gehen lassen
wollte, weil er wie ein Verbündeter war gegen den Rest der
Welt. Weil er machte, dass es ihr gut ging. Weil er ihr die
perfekte Boyfriend-Erfahrung geschenkt hatte.
Es war nicht nur Egoismus gewesen, der sie hatte das
Offensichtliche übersehen lassen. Nein, sie hatte es auch
genossen, ihm dabei zuzusehen, wie er aufblühte. Wie er
lachte. Wie er sich geistesabwesend durch seine Haare rieb,
wenn er nachdachte.
Wäre ihr nicht eben gerade das Herz gebrochen worden, dann
hätte sie sich wohl Hals über Kopf in ihn verliebt. Wie
könnte sie auch nicht?
Aber es wäre anders gewesen, musste sie sich eingestehen. Es
war so schnell so intensiv zwischen ihnen geworden, weil sie
wussten, dass ihnen nicht viel Zeit blieb. Sie waren nicht
wie ein frisch verliebtes Paar umeinander geschlichen,
hatten sich nicht ausschließlich von ihrer besten Seite
gezeigt und stumm die Grenzen abgesteckt, die der jeweils
andere für den Anfang nicht übertreten durfte. Beide hatten
sofort alles von sich gegeben, wie sie es in der realen Welt
nie getan hätten.
Sie musste ihm das sagen.
Still und leise schlich sie auf nackten Füßen die Stufen
hinab an seine Tür und klopfte an. Aber nichts regte sich.
Es war Samstag Nacht, er musste wohl an der Bar stehen.
Kurz überlegte sie, ob sie sich noch einmal anziehen sollte
und zu ihm gehen, aber sie hatte Angst davor, dass er sie
abweisen würde. Dass er sie höhnisch ansehen und nicht mit
ihr sprechen würde.
Und so blieb sie, wo sie war und fühlte die Kälte der Nacht
durch ihre Knochen kriechen.
Es war spät in der Nacht und lange bevor der Morgen grauen
würde, als es krachend gegen ihre Tür hämmerte. Vor Schreck
fiel sie aus dem Bett.
„Mira!“, rief es von draußen und dann wieder, „Mira!“
„Schnauze da oben!“, brüllte es von unten zurück.
So schnell sie nur konnte, lief sie zur Tür und da stand er,
gegen den Türrahmen gelehnt und sah sie an.
Er sah sie an und sagte kein Wort und sie sah ihn an und
sagte ebenfalls nichts. Seine Augen waren von dunklen
Schatten umgeben und blickten reuevoll, entschuldigend,
zerknirscht. Er sah so hilflos aus, wie er
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