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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wieder über ihr wie Aasgeier, die auf den Tod ihres Opfers warten.
    »Da haben wir es!« sagte General Oronitse, als die erste Funkmeldung des Mig-Staffelführers ihm übergeben wurde. »Eine Maschine der DBOA. Reagiert auf keinerlei Anruf und zieht geradewegs nach Tiflis. Lassen Sie alle militärischen Maßnahmen abblasen. Was jetzt folgt, ist Sache der Zivilluftfahrt. Guten Morgen, Genossen! Ich hätte ruhig weiter schlafen können.«
    In Tiflis atmete man auf. Aber es sollte sich zeigen, daß man zu früh aufgeatmet hatte. Auch General Fjodor Nikolajewitsch Oronitse sollte nicht ruhig weiterschlafen können.
    Was da durch den Nachthimmel heranbrummte, war ein Problem, das von Tiflis bis Moskau noch manche Gehirne heißlaufen ließ.
    *
    »Es ist alles Scheiße mit Soße!« sagte Paul Andresen und legte die verschiedenen Schraubenzieher hin. »Ich kriege die elektrische Anlage nicht hin. Zwei Hauptstellen sind durch den Blitzschlag durchgeschmort. Verlassen wir uns auf unsere Äugelchen.« Er sah hinaus in die sternenklare Nacht. Unter ihnen wogte ein grauweißes Wolkenmeer. »Wo fliegen wir eigentlich hin?«
    Chefpilot Pohlmann hob die Schultern.
    »Nach Nordosten«, sagte er nach einer ganzen Weile. Andresen kratzte sich den Kopf.
    »Junge, dann sind wir bald in Rußland.«
    »Unter uns muß der Kaukasus liegen, das stimmt.« Pohlmann sah auf den einfachen Kompaß, der unabhängig war von Strom und Meßinstrumenten. Eine Landkarte lag auf seinen Knien. »Wenn wir ganz großes Glück haben, landen wir in Tiflis.«
    »Und wenn wir keins haben?«
    »In der Kalmückensteppe oder im Kaspischen Meer …«
    »Prost Onkel Willi!«
    Pohlmann schwieg. Bettina kam in die Kanzel und setzte sich müde auf den Klappstuhl. Ihr Gesicht war bleich, und in ihren Augen lag eine unverhohlene Angst. Ihre Hand zitterte leicht, als sie sich durch das kurze Haar fuhr, eine müde, hilflose Bewegung.
    »Was ist hinten los?« fragte Pohlmann hart.
    »Noch schlafen sie. Aber ich habe Irene und Uwe geweckt. Sie stehen bereit, um eine Panik zu verhindern.«
    »Und der Inder?«
    »Er sitzt in seinem Sessel wie versteinert. Und er spricht auch nicht mehr.«
    Von draußen hörten sie jetzt ein Heulen. Ein Schatten jagte nahe an ihnen vorbei, zog vor ihnen hoch und verschwand gegen den Sternenhimmel. Ein kurz blitzender, gezackter Pfeil. Pohlmann umklammerte das Steuer und sah hinüber zu Andresen. Der stand am Fenster und drückte das Gesicht gegen die Scheibe.
    »Hast du gesehen?«
    »Sowjetische Jäger!« Andresen ließ sich auf seinen Copilotensitz fallen. »Wir sind also schon über Rußland.«
    Wieder das helle Heulen. Wieder ein Schatten … und noch einer … und ein dritter. Wie Libellen umschwärmten sie das große Flugzeug, stießen von oben und von den Seiten heran und jagten nun neben der gläsernen Kanzel her. In einem Jäger wurde Licht angeknipst … Pohlmann, Andresen und Bettina sahen deutlich den Kopf des Piloten in dem dicken Lederhelm mit dem Kehlkopfmikrofon.
    »Er ruft uns an«, sagte Andresen. »Spätestens in drei Minuten muß er merken, daß bei uns alles im Eimer ist.« Er klopfte an die große gebogene Scheibe und winkte. »Wir sind der Fliegende Holländer, Iwan! Mach drei Kreuzchen …«
    »Jetzt winkt der Russe!« Bettina umklammerte den Arm Pohlmanns. »Was will er?«
    Werner Pohlmann starrte hinüber zu dem gefährlich nahen sowjetischen Jäger. Der Pilot hob die Hand, winkte nach unten und dann in die Ferne. Dann drehte er ab, flog einen Kreis, kam zurück und drehte wieder ab.
    »Wir sollen folgen«, sagte Pohlmann. Seine Stimme klang um einen Grad freudiger als sonst. »Er zeigt uns den Weg. Kinder, wir werden sicher in Tiflis ankommen. Wir haben es geschafft!«
    Er beugte sich etwas vor und zog die schwere Maschine auf den Kurs, den ihm der sowjetische Jäger angab. Nun flog er hinter der kleinen, schillernden Libelle her, und die Sterne gaben ein trübes Licht, aber genug, um den leitenden Jäger zu sehen.
    Paul Andresen wischte sich über das Gesicht. Jetzt erst merkte er, wie sehr er schwitzte, und wie groß innerlich seine Angst gewesen war. Als er ausatmete, war es ein lauter Seufzer.
    »Junge, das geht ans Gemüt«, sagte er mit unsicherer Stimme. »Und dann noch der Inder mit seinen dämlichen Reden. Kennst du Tiflis, Werner?«
    Chefpilot Pohlmann sah starr geradeaus.
    »Nein«, sagte er gepreßt.
    »Wie lang ist die Bahn?«
    »Keine Ahnung.«
    »Von wo mußt du denn anfliegen?«
    »Die Mig wird es mir
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