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Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Titel: Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
Autoren: Lucy Silag
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Schüler, die sich unauffällig ins Gebäude flüchten wollen, dazu, etwas in die Kamera zu sagen. Wie immer, wenn eine Kamera auf mich gerichtet ist, streiche ich mir über die Haare und strecke den Rücken durch, nur für den Fall, dass ich zufällig irgendwo im Hintergrund zu sehen sein sollte. Aber selbst ich hüte mich davor, mit diesen sensationslüsternen Reportern zu reden. Wie abgeschmackt ist das denn bitte?
    Da baut sich blitzschnell eine junge Frau in einem billigen blauen Kostüm vor mir auf und stellt mir in hastigem Französisch Fragen. Alles, was ich verstehe, ist: »Penelope Jane Fletcher ... Penelope Jane Fletcher ...«
    »Laissez-moi tranquille!« Ich bemühe mich, scharf und beherrscht zu klingen, aber das plötzliche Auftauchen der Frau, ihr Mikrofon und die ganzen Fragen, die ich nicht verstehe, lösen bei mir Herzklopfen aus. Ich reiße die Eingangstür auf, und dabei ist es mir egal, dass ich den Kameramann der Frau anremple. »Aus dem Weg!«, fahre ich sie auf Englisch an. »Ich muss zum Unterricht!«
    Sobald ich das Klassenzimmer betrete, merke ich, dass sich die Begräbnisstimmung unseres ganzen Programms bemächtigt hat. Alle tragen dunkle Farben und sehen ernst und erschöpft aus. Als Erstes gehe ich zu Jay und umarme ihn lange. Mich beschämt noch immer, was er jetzt von mir denken mag, aber sein Herzschmerz ist so offensichtlich, dass ich wenigstens versuchen muss, ihm ein kleines bisschen Trost zu spenden.
    »Jay«, sage ich und reibe mir über die schwarz geschminkten Augenwinkel, als ich mich aus der Umarmung löse. Jay, sonst recht kräftig, wirkt irgendwie klein und schmächtig. Auch sein Gesicht unter seinem ungekämmten Haar sieht abgespannt aus. »Ach, Jay.«
    »Es ist nicht so, als wäre sie meine Freundin gewesen«, sagt er leise, und ich muss daran denken, was es für ein Gefühl war, auf seiner Brust einzuschlafen. Glücklich und geborgen inmitten eines Hurrikans der Verwirrung.
    Mit einem Schulterzucken setzt sich Jay an ein leeres Pult und starrt auf das Holz, in das im Laufe der vielen Jahre lauter gelangweilte Schüler mit ihren Kulis Sachen eingeritzt haben. Ich blicke ebenfalls darauf und frage mich, ob ich versuchen soll, noch etwas zu sagen.
    Es tut mir leid, dass ich sie nicht finden konnte, schreie ich fast laut heraus. Es tut mir leid, dass ich so eine Versagerin bin.
    Ich beruhige mich selbst mit der Tatsache, dass Jay zumindest in der Schule ist. Wenigstens ist das Geld, das mein Dad mir geschenkt hat, einem guten Zweck zugeflossen und hat Jays Schulgebühr finanziert, da er sein Stipendiengeld für die Suche nach PJ ausgegeben hat.
    In diesem Augenblick kommt Zack ins Klassenzimmer, bemerkt mich, wie ich an Jays Tisch stehe, zieht eine Grimasse und schnappt sich den Stuhl neben Olivia. Olivia, die in riesige unvorteilhafte schwarze Warm-ups gekleidet ist, schaut mich bekümmert an, unschlüssig, ob sie mich zu sich rufen oder Zack das von ihm beanspruchte Feld auf dieser Seite des Klassenzimmers überlassen soll. Dabei ist ihr unverhohlen mitleidiger Blick fast genauso schlimm wie die Art und Weise, wie Zack mich demonstrativ wie Luft behandelt. Am liebsten würde ich zu ihm gehen und ihn fragen, warum er heute Morgen nicht im Coffeeshop oder in der Metro war. Aber ich mach's nicht.
    »Schon okay«, sage ich tonlos in ihre Richtung und setze mich stattdessen zu Mary und Sara-Louise. Sie sind beide braun gebrannt, weil sie über die Weihnachtsferien an der Karibikküste waren oder in Mexiko; ich kann mich nicht erinnern, wo genau. Sara-Louise hat ebenfalls ihre lockigen Haare geschnitten, sodass sie jetzt in eleganten Stufen fallen und nicht mehr so kindlich hochgesteckt sind wie früher. Ich öffne den Mund, weil ich ihr sagen will, wie süß das aussieht.
    Doch genau in dem Augenblick platzt es aus Sara-Louise heraus: »Alex, stimmt das? Habt ihr wirklich gewusst, dass sie schon seit Weihnachten verschwunden war, und ihr habt es niemandem gesagt? Das erzählen sich nämlich alle, aber ich kann einfach nicht glauben, dass ihr so was machen würdet...«
    »Sara-Louise«, fällt ihr Mary ins Wort. »Es ist nicht Alex' Schuld, dass sich PJ umgebracht hat.« Mary blickt zu mir herüber, und ihre Augen suchen in meinem Gesicht nach einer Bestätigung. »Ihr habt versucht, ihr zu helfen, oder nicht? Wir haben gehört, dass sie euch erreichen wollte und euch um Hilfe gebeten hat, aber ihr durftet es niemandem sagen ...«
    »Ihr hättet euch aber trotzdem jemandem
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