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Beast

Beast

Titel: Beast
Autoren: Ally Kennen
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gedacht?« Er hebt abwehrend die Hände. »Tut mir leid.«
    Aber Verity ist immer noch aufgebracht.
    »Und? Was wolltest du damit?«
    Ich stehe möglichst würdevoll von der Schaukel auf.
    »Das Schwein ist für meinen Dad. Der ist nämlich am Verhungern.«

|26| Drei
    Am nächsten Abend bringe ich das Schwein weg. Jimmy hilft mir sogar, es in den Kofferraum zu hieven. Er drängt mir noch ein Paket Mehl, drei Äpfel und zwei Tüten Milch auf. Ich werfe das Zeug nachher in irgendeinen Mülleimer.
    »Soll ich nicht doch mitkommen?«, fragt er. Er sieht besorgt aus. So ein Fall kommt in seinem Handbuch für Pflegeeltern nicht vor. Ich sehe ihm an der Nasenspitze an, dass er im Geist verschiedene Möglichkeiten durchgeht. Soll er mir verbieten wegzufahren oder lieber meine Betreuerin anrufen?
    Ich biege von der Einfahrt in die Hauptstraße ein. Beim Hochschalten muss ich laut lachen.
    Ich werfe meinem hungernden Vater doch kein ganzes Schwein in den Rachen!
    Bis zum Gruton-Stausee fährt man ungefähr eine Viertelstunde. Das Gelände ist ziemlich groß. Ein Weg führt einmal um den See herum. Irgendwann mal bin ich die ganzen zehn Kilometer abgelaufen. Viel zu sehen gibt es dort nicht, bloß eine kleine Anglerhütte mit einem leeren Cola-Automaten und einem Klo und am Ufer ein paar Ruderboote. Auf dem See dümpeln ein paar ulkige Gänse und überall stehen wiederkäuende Schafe. Rundherum |27| gibt es bloß Felder und Bäume, darum ist es ziemlich ruhig hier. Vor ein paar Jahren war ich mit ein paar Freunden dort baden. Das Wasser ist arschkalt, deshalb bin ich nicht lange dringeblieben. Und jetzt habe ich schon gar nicht vor, ins Wasser zu gehen. Das Stauwehr ist cool. Man kann richtig rüberlaufen. Auf der einen Seite ist der See, auf der anderen geht es steil in die Tiefe. Wer da runterspringt, ist mausetot.
    Ich fahre am Parkplatz der Anlage vorbei und stelle den Wagen ein paar Kilometer weiter am Straßenrand in einer Parkbucht ab. Inzwischen ist es schon ziemlich dunkel und es ist kein Mensch mehr da. Das Schwein ist einmal der Länge nach durchgesägt, Jimmy hat mir dabei geholfen. Jede Hälfte steckt in einem Müllsack und der wiederum in einem von den blauen Plastiksäcken, in denen Jimmy immer sein Holz geliefert bekommt. Ich hieve mir einen Sack auf jede Schulter und wanke zum Zaun. Das Schwein ist kalt und glitschig, aus den Säcken läuft irgendeine Flüssigkeit raus und mir den Rücken runter. Auf halber Strecke klappe ich zusammen. Meine Schultern tun weh und ich habe mir den Finger verletzt. Man sieht die Sterne. Ich sitze im nassen Gras und lutsche an meinem blutenden Finger. Ich bin allein mit dem Wind und dem Schwein. Ich denke an gar nichts. Alles ist ruhig und friedlich. Wenn es nicht so feucht wäre, könnte ich glatt einschlafen. Ich mache die Augen zu und lausche in die Nacht hinaus. Ich höre den Wind in den Bäumen und ein Auto auf der Straße. Ein Vogel krächzt. Dann überläuft es mich kalt.
    Ich höre ihn brüllen.
    |28| Hier wohnt niemand. Trotzdem habe ich Angst, dass ihn jemand hört. Hoffentlich schlägt er nur dann Krach, wenn er mich riecht, und veranstaltet nicht jede Nacht so einen Radau.
    Ich schleife die Säcke über die nasse, rutschige Wiese. Sie gleiten durchs Gras und drücken es platt. Am Zaun packe ich den einen Sack und will ihn rüberwuchten, aber ich kriege ihn nicht hoch genug und muss zur Seite springen, damit er mir nicht auf den Kopf donnert. Der Zaun ist fast zwei Meter hoch und die Maschen sind zu eng, um sich richtig reinzustellen. Ich klettere trotzdem mit dem Sack auf der Schulter dran hoch. Das Schwein riecht ziemlich streng. Nicht nur nach Blut, sondern noch anders, irgendwie muffig, wie vergammelte Autositze. Oben bleibt der Sack an einem Drahtende hängen und reißt auf, das Fleisch rutscht raus und plumpst auf den Boden. Wenigstens landet es auf der anderen Seite. Ich springe hinterher und schürfe mir dabei die Handflächen auf. Noch mehr Blut. Ich lutsche an meiner Hand.
    Manchmal versuche ich mir vorzustellen, was passieren würde, wenn ich ihn nicht mehr füttere. Wahrscheinlich würde er einfach verhungern. Aber ich habe irgendwo gelesen, dass er im Notfall ein halbes Jahr ohne Nahrung auskommt, wenn er genug Wasser hat. Dann fällt er erst in eine Art Winterschlaf und dann in eine todesähnliche Starre. Im Internet stand, dass ein Exemplar angeblich ein ganzes Jahr ohne Nahrung überlebt hat, was allerdings die Ausnahme ist. Ich stelle mir vor, wie mein
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