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Bd. 1 - Die dunkle Schwinge

Bd. 1 - Die dunkle Schwinge

Titel: Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
Autoren: Walter H. Hunt
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entstellt worden – so als hätte jemand sein Innerstes nach außen gestülpt. Stones Leichnam dagegen sah aus wie der eines ganz normalen Menschen.
    Das Gericht wurde erneut verlegt, diesmal in einen noch stärker bewachten Bereich des Komplexes. Es war eine Vorsichtsmaßnahme, falls weitere Angriffe erfolgen sollten.
    »Wenn das Gericht einverstanden ist, möchte ich mich jetzt gerne äußern«, erklärte Marais, nachdem die Verhandlung wieder aufgenommen worden war. »Danach werde ich bereit sein, das Urteil des Gerichts anzunehmen.«
    »Falls ein Mitglied dieses Verfahrens eine Verschiebung wünscht …« McMasters sah von Russ zu Aronoff, weiter zu Marais und dann zu den anderen Richtern. »Gut.« Er schaute wieder Aronoff an. »Wünscht die Anklagevertretung …«
    »Wenn der Angeklagte einverstanden ist, sich als Zeuge zu seiner eigenen Sache vereidigen zu lassen, hat die Navy keine Einwände gegen eine Aussage.«
    »Admiral, schwören Sie, dass alles, was Sie sagen werden, der Wahrheit entspricht, so wahr Ihnen Gott helfe?«
    »Ich schwöre, Sir.«
    »Gut«, erwiderte McMasters und faltete die Hände. »Sie können anfangen.«
    Marais erhob sich und ging langsam bis in die Mitte des Gerichtssaals, die Hände hielt er auf dem Rücken. »Wir sind Zeuge geworden, wie ein bizarrer Plan offenbar wurde. Ich glaube, dieser Plan verfolgte als oberstes Ziel die Vernichtung der Zor als Spezies. Ich sollte das Mittel zu ihrer Zerstörung werden. Die Menschheit ist in der Lage, ein solches Vorhaben in die Tat umzusetzen. Mancher mag zwar argumentieren, wir würden dabei das verlieren, was uns überhaupt erst menschlich macht, doch es fällt vor allem uns Militärs zu, dass wir begreifen: Wir könnten und würden es tun, sollte das Überleben unserer Spezies davon abhängen. Ohne die Beschränkungen, die durch eine Standardprozedur auferlegt werden, und ohne traditionelle Moral‹, die wie Handfesseln wirkt, machte ich mir eine Aufgabe zu Eigen, die genau dieses Ziel hätte erreichen können.«
    Für einen Moment hielt er inne. »Ich tat es aus einem einzigen Grund: Ich glaubte, es wäre der einzige Weg, um die Menschheit von der Geißel eines ewigen Kriegs mit den Zor zu befreien. Ich betone, dass ich das Recht und den Auftrag dazu hatte. Meine erfahrene Verteidigerin hat im Lauf dieses Verfahrens immer wieder dieses Recht und den Auftrag betont. Mir war dabei nie wichtig, ob es mich zum Schurken oder zum Helden machen würde. Ich ging davon aus, dass es Leute gibt, die mich zu stoppen versuchen würden, wenn ich erst einmal begonnen hatte, mein Vorhaben zu verwirklichen. Indem ich meine Befehle auf die Ihnen bekannte Art ausführte und indem ich loyale Offiziere um mich hatte, machte ich derartige Versuche von vornherein unmöglich. Ich ging auch davon aus, dass die Zor sich mit allem gegen mich stellen würden, was sie aufzubieten hatten. Ich wusste, es könnte ihre vollständige Auslöschung bedeuten.«
    Nach ein paar Sekunden des Schweigens fuhr er fort: »Doch dann geschah dort draußen etwas. Anstatt sich mir bis zum bitteren Ende zu widersetzen, sahen die Zor diesen Konflikt auf einmal in einem größeren Zusammenhang. Sie identifizierten mich als eine Figur ihrer Mythologie, als die Dunkle Schwinge, den Bringer der Zerstörung. Mein Adjutant Captain Stone hatte dafür gesorgt, dass wir bis an den Rand des Abgrunds gelangten. Erst vor ein paar Stunden tat er diesen Aspekt unseres Konflikts als ›mystischen Unsinn‹ ab. Für ihn war es nichts weiter als ein Versuch der Zor, sich selbst die Niederlage zu erklären. Niemals zuvor hatten wir sie in eine solche Situation gebracht. Und doch ist dieser ›mystische Unsinn‹ die Essenz unserer – meiner – Position im Verhältnis zu den Zor. Als jemand, der fähig und auch willens war, die Zor als Spezies auszulöschen, stellte ich tatsächlich die Verkörperung der Dunklen Schwinge dar. Ich war und bin fähig, sie zu vernichten. Nach menschlichen Moralvorstellungen« – er spie das Wort fast aus – »bin ich ein Ungeheuer, aber nach der Moral der Zor bin ich eine Art Held.«
    Sekundenlang ruhte der Blick auf seinen Füßen.
    »Das Wichtigste an diesem Krieg ist aber nicht, was wir den Zor angetan haben, sondern was wir ihnen hätten antun können. Indem ich ihre Weltanschauung zerstörte, brachte ich sie zu einer völlig anderen Schlussfolgerung – dass ich ihnen eine neue Richtung für ihre Gesellschaft gab, deren spirituelle Basis in Trümmern lag. Die Zor
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